Die vergangenen Monate in der Europäischen Union waren geprägt von politischer Zersplitterung und einem flächendeckenden Zulauf für rechte Parteien. Nach dem Rechtsruck in den Niederlanden und dem bitteren Erwachen bei der Europawahl folgte am Sonntag (30. Juni) der nächste Knall! Die rechtsnationale Partei von Marine Le Pen feierte ein historisches Ergebnis.
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Die zweitgrößte Wirtschaftsnation der Europäische Union, Frankreich, steht vor einer horrenden Herausforderung. Nach dem katastrophalen Abschneiden bei der EU-Wahl, bei welcher Macrons pro-europäische Partei „Besoin d’Europe“ lediglich 14,6 Prozent der Stimmen holen konnte, löste der Präsident die Nationalversammlung auf und ordnete Neuwahlen an. Die Hoffnung: Frankreichs Bürger werden nach dem Rekordabschneiden der rechtsnationalen Partei Rassemblement National (RN) wachgerüttelt.
Frankreich: Rechtspopulisten auf dem Vormarsch
Schließlich konnten die Rechtspopulisten von Marine Le Pen bei der EU-Wahl mit 31,37 Prozent die größte Wählergunst für sich gewinnen. Macrons riskanter Plan, das RN durch vorgezogene Neuwahlen im nationalen Parlament schwächen zu können, ging komplett nach hinten los. Beim ersten Wahldurchgang erhielt die rechtsnationale Partei inklusive ihrer Verbündeten 32,4 Prozent der Stimmen.
Den Prognosen zufolge könnte das rechte Bündnis 230 bis 280 Sitze im Unterhaus einnehmen und mit Abstand zur stärksten Kraft aufsteigen. Für die absolute Mehrheit wären 289 Sitze vonnöten, diese scheint daher nicht ausgeschlossen.
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Die finale Entscheidung über Frankreichs Zukunft fällt erst am kommenden Sonntag (7. Juli). Traditionell wird die Nationalversammlung nach Mehrheitswahlrecht in zwei Wahlgängen gewählt. Sofern ein Kandidat im ersten Wahldurchgang über 50 Prozent der Stimmen holen kann, ist er nach diesem Wahlsystem direkt gewählt. Ist dies nicht der Fall, findet ein zweiter Wahldurchgang statt. Bei diesem genügt es, wenn der Kandidat die meisten Stimmen für sich gewinnen kann.
Bei den Parlamentswahlen werden die Abgeordneten der Nationalversammlung (Unterhaus) neu gewählt, insgesamt werden 577 Sitze verteilt. 39 Abgeordnete des RN wurden am Sonntag bereits direkt gewählt. Das Unterhaus muss ebenso wie das Oberhaus (Senat) sämtlichen französischen Gesetzen zustimmen. Im Zweifelsfall hat die Nationalversammlung vor dem Senat das letzte Wort.
Der Kurs des RN ist klar: Es ist gegen Migration, für nationale anstatt europäische Prioritätensetzung und fokussiert eine diskriminierende Wirtschafts- und Sozialpolitik. Das liberale Mitte-Lager von Präsident Macron will diesen Kurs unbedingt verhindern, landete mit 20,4 Prozent aber noch hinter dem neu formierten Linksbündnis auf Platz drei. Prognosen rechnen damit, dass seine Partei „Ensemble“ auf 60 bis 100 Sitze abrutschen könnte.
Macrons Spiel mit dem Feuer
Das Linksbündnis „Nouveau Front Populaire“, welches sich erst im Juni 2024 nach Ankündigung der Parlamentswahl formiert hat, könnte demnach zwischen 125 und 200 Sitze einnehmen. „Wir haben sieben Tage Zeit, um Frankreich vor einer Katastrophe zu bewahren. (…) Das ist keine Parlamentswahl mehr, das ist ein Referendum“, erklärte der führende französische Sozialdemokrat Raphaël Glucksmann.
An dieser Stelle beginnt das Spiel mit dem Feuer, denn Macron und das Linksbündnis haben einen Pakt gegen die Populisten geschmiedet. Gemeinsam wollen sie einen Erdrutschsieg des RN verhindern! Teile des linken Lagers haben deshalb bekannt gegeben, dass sie im Falle einer Stichwahl, welche am 7. Juli stattfindet, ihre Stimme an das Lager von Macron umverteilen würden. „Unser Ziel ist klar, es geht darum zu verhindern, dass das Rassemblement National im zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit erlangt, die Nationalversammlung dominiert und das Land mit seinem verhängnisvollen Projekt regiert“, sagte Frankreichs Premierminister Gabriel Attal am Abend.