Mit über 5,4 Millionen Empfängern steht das Bürgergeld in Deutschland im Mittelpunkt der Diskussion – keine Sozialleistung wird in Deutschland so heftig kritisiert wie das Bürgergeld. Gerade in Zeiten, in denen viele Unternehmen über offene Stellen klagen, erscheint die hohe Zahl der Bezieher für manche paradox.
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Arbeitsminister Hubertus Heil hat erst kürzlich angekündigt, die Bedingungen für den Erhalt dieser Unterstützung zu verschärfen. Wer innerhalb eines Jahres zweimal eine Arbeitsstelle ablehnt, muss künftig mit einer zweimonatigen Auszahlungspause rechnen. Dahinter steht die verbreitete Annahme, dass Bürgergeld-Empfänger wegen der höheren Leistung nicht mehr so aktiv nach Arbeit suchen. So zeigt auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa, dass 64 Prozent der Deutschen glauben, das Bürgergeld verleite dazu, nicht mehr arbeiten zu wollen.
Faul oder verzweifelt auf Arbeitssuche – Wer sind die Bürgergeldempfänger wirklich? Ein genauer Blick auf die Zahlen, abseits von gängigen Klischees und Vorurteilen.
Großteil nicht erwerbsfähig
Ein genauerer Blick auf die Statistik der Bundesagentur für Arbeit zeigt, dass viele Bürgergeldempfänger dem Arbeitsmarkt aus unterschiedlichen Gründen gar nicht zur Verfügung stehen. Von den 5,4 Millionen Empfängern sind rund 1,5 Millionen aus Gründen wie einem zu hohen Alter oder Krankheit nicht erwerbsfähig.
Weitere 2,2 Millionen Personen stehen dem Arbeitsmarkt aufgrund von Ausbildung, Studium, Pflege oder Kindererziehung nicht zur Verfügung. Die Zusammensetzung der Leistungsempfänger ist also vielfältiger, als es auf den ersten Blick erscheint.
Hunderttausende stocken mit Bürgergeld ihr Gehalt auf
Hinzu kommt, dass viele Menschen nur mit Bürgergeld aufstocken! Unter den Empfängern gehen bereits 781.000 Menschen einer Beschäftigung nach, verdienen aber nicht genug, um ohne zusätzliche Hilfe klarzukommen. Darunter fallen auch Personen in Ausbildung, in Minijobs oder Selbstständige. Das Bürgergeld kann also auch oft eine ergänzende Rolle spielen, um niedrige Einkommen auszugleichen.
Sprachbarrieren und Arbeitsverbote
Von den 5,4 Millionen Bürgergeldempfängern sind, nach Informationen der Wochenzeitung „Die Zeit“, also gerade Mal circa 1,7 Millionen erwerbsfähig und arbeitslos. Dabei setzt sich die Gruppe der arbeitslosen Bürgergeldempfänger zu rund 56 Prozent aus Deutschen und zu 44 Prozent aus Zuwanderern zusammen.
Der hohe Anteil von Zuwanderern unter den Bürgergeldbeziehern hat aber nichts mit Faulheit zutun! In den letzten Jahren ist die Zahl der Bürgergeldempfänger vor allem aus Kriegs- und Krisengebieten wie Syrien und Afghanistan gestiegen. In dieser Gruppe ist die Integration in den Arbeitsmarkt aufgrund von Sprachbarrieren und gesetzlichen Arbeitsverboten für Asylbewerber eine besondere Herausforderung.
Doppelt so häufig Depressionen
Da nur ein geringer Teil der offenen Stellen für Ungelernte geeignet ist, entsteht ein sogenannter „Mismatch“ zwischen den Qualifikationen der Arbeitslosen und den Anforderungen des Arbeitsmarktes.
Auch gesundheitliche Einschränkungen spielen eine wichtige Rolle. Laut einer Studie der AOK leiden Bürgergeldempfänger doppelt so häufig an Depressionen oder Lungenerkrankungen. Auch Suchtprobleme und andere psychische Erkrankungen sollen bei Bürgergeldbeziehern häufiger auftreten.
Individuelle Schicksale
Die Statistiken zeigen: Das Bild der Bürgergeldempfänger ist also komplexer, als es oft dargestellt wird. Es hat nicht nur mit Faulheit oder gar Sozialbetrug zu tun, sondern umfasst eine Vielzahl individueller Schicksale und gesellschaftlicher Herausforderungen.