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Experte fordert Einführung der Wehrpflicht – „Jetzt liegt es an den jungen Menschen, die Verantwortung zu tragen“

Was tun, wenn Deutschland angegriffen wird? Kann man jungen Menschen dann eine Wehrpflicht aufdrücken? Ein Experteninterview.

Für oder gegen die Wehrpflicht – das bewegt die Generationen. Ein Experte erklärt, was die Bundeswehr wirklich braucht.
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REDEN WIR DRÜBER: Wehrpflicht – Ja oder nein?

Verteidigungsminister Boris Pistorius stellt seinen neuen Plan zur Wiedereinführung der Wehrpflicht vor. Das denken die Deutschen darüber.

Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten, Bedrohungen für die Demokratie von außen und innen und nun auch noch die Ungewissheit darüber, ob die USA unter Präsidentschaftskandidat Donald Trump Deutschland weiter schützten wird. Die Verteidigung ist in aller Munde und mit ihr die Wehrpflicht.

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Ihre Wiedereinführung nach 13 Jahren ist umstritten. Insbesondere junge Menschen befürchten einen Zwang zur Waffe. Patrick Sensburg (53) ist Präsident des Reservistenverbandes der Bundeswehr und CDU-Mitglied. In beiden Funktionen ist er für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. In einem Interview mit unserer Redaktion erklärt der Professor der Polizei-Hochschule in NRW, warum er sich für die Wehrpflicht ausspricht.

Herr Sensburg, ist die Wiedereinführung der Wehrpflicht, notwendig für die Fähigkeit der Bundeswehr, sich zu verteidigen?

Patrick Sensburg: Die Wehrpflicht ist notwendig, um für den schlimmen Fall, dass Deutschland angegriffen wird, durchhaltefähig das eigene Land verteidigen zu können. Mit der Wehrpflicht werden Zivilisten militärisch ausgebildet, um im Falle eines Krieges die Heimat verteidigen zu können. Die Wehrpflicht dient nicht dazu, Lücken bei der Bundeswehr zu schließen. Sie dient dazu, die Zivilbevölkerung in die Landesverteidigung einzubeziehen, weil dies eine aktive Truppe nicht über einen längeren Zeitraum schaffen kann.

Es braucht ungefähr dreimal so viele Reservisten, wie aktive Soldaten, um durchhaltefähig zu sein und damit die nötige Abschreckung gegen Aggressoren aufbauen zu können. Durch die Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 sind wir derzeit weit davon entfernt. Nur die Wiedereinführung der Wehrpflicht kann dies ändern.

Welche Modelle halten Sie in Deutschland für denkbar?

Der Reservistenverband hat seit Jahren ein Modell einer Dienstpflicht entwickelt, dass sich eng am Grundgesetz und der Notwendigkeit einer Gesamtverteidigung orientiert. Der Dienst kann nicht nur in der Bundeswehr, sondern auch in Zivilschutzverbänden, dem THW, den Feuerwehren oder dem Roten Kreuz geleistet werden. Alle diese Kräfte brauchen wir, wenn wir unser Land verteidigen müssten. Das sehen wir gerade in der Ukraine.

„Ein Pflichtdienst ist ein erheblicher Grundrechtseingriff“

Die jungen Leute könnten sich dann eine der Organisationen aussuchen. Eine Grundgesetzänderung bräuchte es nach unserer Meinung aber dazu, dass in Zukunft auch Frauen eingezogen würden. Der Dienst würde ein Jahr dauern und den ganzen Jahrgang erfassen, was auch notwendig ist.

Welche Vor- und Nachteile könnte eine Wiedereinführung der Wehrpflicht für die Gesellschaft haben?

Der Vorteil ist die Sicherung der staatlichen Integrität, die sonst nicht zu sichern wäre. Ich verstehe die Diskussion über weitere gesellschaftliche Vorteile, wie der Erfassung von Gesundheitsdaten, der Integrationswirkung eines Dienstes, der individuellen Erkenntnisse etwas für die Allgemeinheit getan zu haben und vieles mehr. Dies kann rechtlich aber nicht das Kernargument sein. Ein Pflichtdienst ist ein erheblicher Grundrechtseingriff. Er kann nur durch überragende Staatsziele und Notwendigkeiten gerechtfertigt sein.

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Ist ein Pflichtdienst aber notwendig, dann müssen wir ihn so ausgestalten, dass er den größtmöglichen Gewinn für die jungen Menschen hat. Mit anderen Worten, wenn das „ob“ notwendig ist, dann müssen wir bei dem „wie“ viel mehr an die Wehrpflichtigen denken als früher. Das ist das Modell des Reservistenverbandes, der Verband, der die meiste Erfahrung mit Wehrpflicht bzw. einer Dienstpflicht hat.

Wehrpflicht: Von der eigenen Zukunft nichts wissen wollen

Können Sie junge Menschen verstehen, die von der Wehrpflicht nichts wissen wollen?

Selbstverständlich kann ich das. Krieg, Bedrohungen, Einschränkungen und Pflichten sind Themen, die wir in unserer freiheitlichen Demokratie in den letzten Jahren immer weniger hatten. Seit den 90er-Jahren entwickelte sich die Welt immer offener und freier. Hatten unsere Großeltern noch Krieg erlebt, ist dies für die meisten jungen Menschen nur etwas aus dem Fernsehen. Viele junge Menschen erlebten die ersten massiven Einschränkungen durch die Corona-Pandemie und nur durch eine sich wieder teilende Welt. Dass dies Angst machen kann, kann ich sehr gut verstehen.

Wir müssen aber auch sehen, dass drei Generationen nach dem Zweiten Weltkrieg ein Deutschland und ein Europa besteht, in dem noch nie so lange Frieden bestand, wie aktuell. Die bisherigen Generationen haben Frieden gesichert und großen Wohnstand aufgebaut. Und sie haben dafür auch Wehrdienst geleistet. Jetzt liegt es an den jungen Menschen, die Verantwortung zu tragen – auch für die Sicherheit und Stabilität unseres Landes und Europas. Davon nichts wissen wollen bedeutet, von der eigenen Zukunft nichts wissen wollen.


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