Nach dem Attentat auf den Ex-Präsidenten Donald Trump (78) fragt sich die
Welt: Was wäre eigentlich gewesen, wenn der 20-jährige Attentäter mit dem
Milchgesicht nicht nur Trumps Ohr getroffen, sondern den Präsidentschaftskandidaten
der Republikaner tödlich getroffen hätte?
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Der Heidelberger Historiker Manfred Berg schreibt dazu in der Süddeutschen
Zeitung: „Dass Trump überlebt hat, ist nicht nur deshalb ein Glück, weil
es in einer Demokratie keine Rechtfertigung für politischen Mord gibt, sondern
auch, weil sein gewaltsamer Tod vermutlich einen Aufstand seiner militanten
Anhängerschaft ausgelöst hätte.“
Trump-Attentat: „Stehen die USA vor einem neuen Bürgerkrieg?“
Ein Monat vor dem Attentat hat Geschichtsprofessor Berg ein Buch ( „Das
gespaltene Haus – Eine Geschichte der Vereinigten Staaten von 1950 bis
heute“) veröffentlicht, in dem er in einem Kapitel bereits der Frage nachgeht:
„Stehen die USA vor einem neuen Bürgerkrieg?“
Dort skizziert er die problematischen Entwicklungen. Zum einen lassen sich
verfeindete Lager ausmachen, die sich immer mehr radikalisierten. Auf der einen
Seite die Demokraten, die „das multiethnische, liberale und säkulare Amerika,
das überwiegend in den Großstädten und an Küsten wohnt“ repräsentiert. Auf der
anderen Seite die Republikaner, die „das traditionalistische, weiße,
kleinstädtisch-ländliche, religiöse Milieu“ abbilden.
US-Parteien übereinander: „Schlichtweg böse“
Wie groß der Hass zwischen den beiden Parteien und ihren Anhängern ist,
zeigt eine Studie, auf die sich Berg beruft. Demnach „betrachten jeweils
rund 40 Prozent der Demokraten und der Republikaner die Anhänger der anderen
Seite als „downright evil“, also als „schlichtweg böse“.
Und weiter schreibt Berg: „Im Kongress ist überparteiliche Kooperation zur
seltenen Ausnahme geworden, die Rhetorik der radikalen Rechten wird immer
militanter, der Supreme Court und die Justiz insgesamt sind extrem politisiert,
und bei Wahlen ist nicht mehr gewährleistet, dass die Verlierer das Ergebnis
anerkennen.“
Warum sind die USA derart polarisiert?
Ganz schön düstere Gemengelage. Warum sind die Gruppen so verfeindet, das
Land derart polarisiert? Die Wurzeln des Problems seien „die
Individualisierung und Liberalisierung der Lebensstile, die radikalen
Veränderungen in den Geschlechterrollen, die Bürgerrechtsrevolution, die
wirtschaftlichen und demografischen Folgen der Globalisierung sowie die
Medienrevolution“, so Berg.
Schafft Amerika den Weg aus der Polarisierung? Eine neue Studie der Carnegie-Stiftung, auf die Professor Berg aufmerksam macht, bringt jedenfalls wenig Hoffnung. In der Studie sind mehr als fünfzig demokratisch verfasste Staaten verglichen worden, die seit 1950 Phasen „gefährlicher Polarisierung“ erlebt haben. Das Ergebnis: In der Hälfte der untersuchten Länder musste die Demokratie einer autoritären Regierungsform weichen. Lediglich in neun Fällen gelang eine dauerhafte Depolarisierung. Düstere Aussichten für die Vereinigten Staaten.
Manfred Berg ist Professor für Amerikanische Geschichte an der Universität Heidelberg. Soeben ist sein neues Buch bei Klett-Cotta erschienen: Das gespaltene Haus. Eine Geschichte der Vereinigten Staaten von 1950 bis heute (544 Seiten, 35 Euro).