Flacht die Erregungskurve einer gut ausbeutbaren öffentlichen Debatte zu früh ab, darf man gewiss sein, dass einer kommt und neues Öl ins Feuer gießt. Einer wie Horst Seehofer. Im Gefolge der Sarrazin-Aufwallungen fällt es dem CSU-Vorsitzenden leicht, noch mehr verbale Wucht zu liefern, um Gehör zu finden.
Die Furcht vor einer Parteigründung rechts von der Union liefert zusätzliche Legitimation zum rhetorischen Holzhacken. Vor diesem Hintergrund ist das bewusst unscharf gehaltene Plädoyer zu sehen, Deutschland müsse für bestimmte Kulturkreise – allen voran: Türken und Araber – die Schotten dicht machen. Das macht es aber nicht weniger töricht und verzichtbar. Ausgerechnet an dem Wochenende mit der Das-Boot-ist-voll-Parole loszugranteln, als die Kanzlerin mit dem türkischen Premier erfreulich unfallfrei das verminte Integrationsfeld abschreiten sollte, ist mehr als eine stilistische Blutgrätsche unter Schwesterparteien. Es ist auch der gedankenarme Versuch, vermeintlich weit verbreitete Bauchgefühle eines Wahlvolks zu bedienen, anstatt den gewiss gewaltigen Problemen im Integrationsalltag Rechnung zu tragen.
Dabei polemisiert Seehofer, nicht zum ersten Mal, wider besseres Wissen. Dass Deutschland sehr wohl Zuwanderung „aus anderen Kulturkreisen“ benötigt, ist praktische Regierungspolitik. Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben worden, dass „die Attraktivität Deutschlands für Hochqualifizierte“ gesteigert werden muss. Also auch für die aus Ankara und Abu Dhabi.
Entlang dieser Linie argumentieren und handeln Arbeitgeber, Wirtschaftsverbände und Bundesagentur für Arbeit, wenn sie weltweit ausländisches Fachpersonal für den Standort Deutschland anwerben. Was schwer genug ist. Deutschland ist für global bewegliche Arbeitssuchende keine erste Adresse. Seehofers Personal-Protektionismus muss darum bis in die Konzern-Zentralen Kopfschütteln auslösen. Der Debatte über eine sinnvolle Zuwanderungs- und Integrationspolitik hat Seehofer vor allem mit seiner Tonlage einen Tort angetan. Wie eine Rating-Agentur unseriöse Banken, so stuft Bayerns Ministerpräsident pauschal Türken und Araber herab. Argumente mit Tiefgang? Keine. Politische Hilflosigkeit pur.
Der Eindruck, beglaubigt durch den Chef einer Regierungspartei, ist fatal: Ausgerechnet in der Industrienation Deutschland, in der gut ausgebildete Menschen das wichtigste und knappste Kapital darstellen, sind qualifizierte Ausländer nicht mehr generell willkommen. Oder doch, Frau Merkel?