Philipp Rösler: Als Gesundheitsminister entzaubert. Der junge FDP-Mann wollte ein großer Reformer sein, hat aber noch nicht viel bewegen können. Die Pflegereform kann er aber noch schaffen.
Essen.
Als Philipp Rösler mit 36 Jahren die 60-jährige Ulla Schmidt beerbte, wollte er alles anders machen: Im Eiltempo ein verkrustetes System aufbrechen, ohne Rücksicht auf Lobbyverbände Reformen durchziehen und nach spätestens zwei Amtszeiten wieder raus aus der Politik. Anderthalb Jahre später weiß der studierte Mediziner: So funktioniert das nicht – schon gar nicht im Gesundheitsressort.
Röslers drei wichtigste Operationen sollten sein: 1. Die Kopfpauschale, 2. die Pflegereform und 3. die Abschaffung des Preismonopols der Pharmaindustrie. Gemessen an seinen eigenen Ansprüchen ist er weitgehend gescheitert. Gemessen an seiner Vorgängerin ist er immerhin einen großen Schritt vorangekommen.
Bei der Kopfpauschale musste der Deutsch-Vietnamese lernen, was es heißt, mit bayerischen Freistaatlern zu koalieren. Die CSU verhinderte den Radikalumstieg, Rösler blieb ein Umstieg in der Theorie. Die Zusatzbeiträge können zwar unbegrenzt steigen – also irgendwann zur großen Kopfpauschale werden. Doch dazu wird es in dieser Legislatur nicht mehr kommen, weil davor eine schnöde Beitragserhöhung steht. Unterm Strich bleibt das Plus von 0,6 Prozentpunkten haften und kein liberaler Systemumstieg.
Nur die Beiträge steigen
Dasselbe gilt – bis jetzt – für die Pflegereform. Die Beiträge werden wohl 2012 steigen, die Reform lässt auf sich warten. Immerhin lässt Rösler derzeit neu klären, wer wie viel Pflege braucht. Bisher werden psychische Erkrankungen wie Demenz stark benachteiligt. Wenn die Opposition mehr Eile fordert, vergisst sie, dass Ulla Schmidt in zwei Amtszeiten keine große Pflegereform geschafft hat. Eine Expertenrunde hatte auch sie einberufen, die härtesten Kritiker aber aussortiert, sobald es unangenehm wurde. Rösler kann die Pflegereform noch schaffen.
Bereits mehr als seine Vorgängerin hat Rösler mit seiner Arzneireform geschafft: Das Preismonopol der Industrie für neue Medikamente ist gebrochen. Dass dies trotzdem nicht als Durchbruch, sondern paradoxerweise als Exempel für das Einknicken vor der Lobby gilt, liegt an den vielen Zugeständnissen, die sich Rösler hat ins Gesetz diktieren lassen – zum Teil wörtlich vom Pharmaverband. So wird es durch eine Entmachtung der obersten Pharmaprüfer schier unmöglich, einmal zugelassene Arzneien wieder vom Markt zu nehmen, wenn sie sich doch als nutzlos erweisen.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, Rösler sei ausgelernter Augenarzt. Das ist falsch. Rösler hat seine Facharztausbildung wegen seiner politischen Karriere abgebrochen. Wir bitten um Entschuldigung!