Teheran. Die Wahl im Iran hat begonnen und Mahmud Ahmadinedschad muss um sein Amt fürchten. Im Wahlkampf verteilte er Kartoffelsäcke, organisierte Events für Frauen – und dennoch könnte ihm ein Wirtschaftsreformer den Rang ablaufen.
Der konservative Kandidat verspricht im Falle seiner Wahl eine Frau als Außenministerin zu berufen. Ein anderer, kein Ausbund von Charisma, steht Händchen haltend mit seiner berufstätigen Frau Sarah auf der Bühne und lässt sie, mit dem geblümten Kopftuch unter dem schwarzen Tschador, gegen das Regime wettern. Der wuselige Amtsinhaber in der Windjacke bietet einen Event an – exklusiv für Frauen.
Gestritten wird in diesem turbulenten Wahlkampf in der Islamischen Republik Iran nicht allein für Frauenrechte. 46 Millionen Wähler entscheiden am Freitag, wer den Gottesstaat in den nächsten vier Jahren regiert. Und zum ersten Mal seit 1979, als Ayatollah Khomeini den Schah stürzte, muss ein Präsident um seine Wiederwahl bangen.
Misswirtschaft, Korruption, Inflation
Mahmud Ahmadineschad (53), vor vier Jahren mit den Stimmen der Armen und Ausgegrenzten ins Amt befördert, verteilt Kartoffelsäcke und „Gerechtigkeitsaktien“ über 50 Euro aus den Öleinnahmen. Seine Gegner nennen das Stimmenkauf. Doch der Staatschef hat eine dürftige Bilanz vorzuweisen – Misswirtschaft, Korruption, eine Inflation von 25 Prozent und keine Hoffnung für Millionen von jungen Leuten ohne Jobs. Und das in einem Land der zu 60 Prozent unter 30jährigen.
Es brodelt im ölreichen Iran, dieser nur scheinbar geschlossenen Gesellschaft, in der hinter dem Schleier unterschiedliche Machtzentren konkurrieren; in der die Menschen zwei Leben führen, in der kontrollierten Öffentlichkeit und im Schutz der eigenen vier Wände. Im Wahlkampf sind die Brüche offensichtlich geworden: in den leidenschaftlichen Debatten auf den Plätzen und den ruppigen TV-Duellen der Kandidaten.
Drei Kandidaten dürfen Ahmadinedschad herausfordern
Denn der Wächterrat hat unter 475 Bewerbern drei Kandidaten erlaubt, gegen Ahmadineschad anzutreten – darunter übrigens keiner der 42 Frauen, die ins höchste politische Amt strebten. Die Konservativen schicken Mohsen Resai (54), den Kommandeur der Revolutionswächter, ins Rennen – als Waffe gegen den eifernden Amtsinhaber, der das Land – so Resai – „in den Abgrund führt“.
Westlichen Vorstellungen am nächsten kommt der Ex-Parlamentspräsident und Religionsgelehrte Mehdi Karrubi (71), ein liberaler Reformer, der auf Stimmen von Frauen, jungen Wählern, Intellektuellen und Menschenrechtsaktivisten rechnen, aber sich nicht übermäßiger Gunst des obersten geistigen Führers Ayatollah Chamenei sicher sein darf.
Ein Wirtschaftsreformer ist Favorit
Der aussichtsreiche Kandidat ist Ex-Premier Mir Hussein Mussawi (67), bekannt für seine Wirtschaftsreformen, gefürchtet wegen seiner repressiven Politik. Das Teheraner Establishment darunter der liberale Ex-Staatschef Chatami, traut diesem kultivierten Kenner des inneren Machtgefüges zu, Ahmadineschad in die Stichwahl zu zwingen und in einem zweiten Wahlgang womöglich zu schlagen. Doch sicher ist nichts: Der Wahlausgang gilt als offen. Mussawi nützen gewiss seine energische Frau Sahra, die für Veränderungen und Freiheiten streitet – und das offensichtliche Wohlwollen Chameneis.
Alle Gegenkandidaten streben nach mehr Offenheit, um die Isolation zu überwinden, in die Ahmadineschad den Iran geführt hat. Sie vermeiden aggressive Töne gegenüber Israel und beklagen, dass die öffentlich bekundeten Zweifel des Präsidenten am Holocaust geschadet hätten. Sie lassen indessen keinerlei Zweifel, an der Urananreicherung festzuhalten: Das iranische Atomprogramm bleibt unantastbar. Die Beziehungen zum Westen würden sich nicht über Nacht ändern, wohl aber der Stil der ohnedies bei Religionsführer Chamenei angesiedelten iranischen Außenpolitik.