Die Landtagswahl in Thüringen entpuppt sich für die AfD als voller Erfolg. Die 30-Prozent-Schallmauer wurde durchbrochen – auch dank der Laissez-Faire-Politik aus Berlin. Parteichefin Weidel feiert Spitzenkandidat Höcke für den Erfolg ab – obwohl sie ihn vor nicht allzu langer Zeit eigentlich aus der Partei werfen wollte. Prozentpunkte können blind machen. Ein Kommentar.
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Die AfD geht als klarer Sieger aus der Thüringen-Wahl hervor, daran besteht kein Zweifel mehr. Hochrechnungen sehen die Partei bei 33,1 Prozent, die CDU liegt mit 23,6 Prozent abgeschlagen auf dem zweiten Rang. Und trotzdem scheint der Spitzenkandidat der Christdemokraten, Mario Voigt, beste Chancen auf den Posten des Ministerpräsidenten zu haben. Der Grund: Sämtliche Parteien haben eine Zusammenarbeit mit der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften AfD Thüringen ausgeschlossen.
AfD-Chefin Alice Weidel scheint das aber ziemlich egal zu sein und umgarnt die CDU. „Der Wähler möchte eine Koalition aus der AfD und der CDU haben“, sagte sie dem ZDF. Man werde die Hand „ausstrecken“ – doch einen Bruch mit der eigenen Partei wird sie mit diesen Worten nicht bewirken können. Immerhin steht die AfD auf der Unvereinbarkeitsliste der CDU.
AfD-Chefin erlebt plötzlichen Sinneswandel
Ihr zweites Ass im Ärmel, um die CDU für sich zu gewinnen, trägt den Namen Björn Höcke. „Natürlich halte ich Herrn Höcke für einen geeigneten Ministerpräsidenten. Wenn es Herr Höcke nicht wird, wird es keine stabilen Mehrheiten geben“, heißt es. Zweifel an seiner Person habe sie keine. Ein ultimatives Bekenntnis im Anschluss an die Thüringen-Wahl.
Springt man jedoch ein paar Jahre zurück, klang das noch ganz anders! Im Januar 2017 wurde im Bundesvorstand der AfD offen darüber beraten, ob man den thüringischen Landeschef vor die Tür setzen will. Grund war unter anderem eine Rede in Dresden, bei welcher Höcke im Hinblick auf das Holocaust-Mahnmal sagte: „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ Die Bombardierung von Dresden verglich er mit den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki. Sätze, die auch nach dem Geschmack des AfD-Vorstandes zu sehr an Nazi-Parolen erinnerten.
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Alice Weidel, die damals als Mitglied im Parteivorstand saß, fürchtete um die Akzeptanz der Partei und brachte ein Ausschlussverfahren auf den Weg. In dem eingereichten Papier wurde ihm „eine übergroße Nähe zum Nationalsozialismus“ vorgeworfen. Diese „diskreditiert die Gesamtpartei“ hieß es. Höckes Aussagen hätten sich auch „in Wahlkampfreden von Adolf Hitler im Jahr 1932“ wiedergefunden. Höcke präsentiere sich als „Führer, der seinen Anhängern einen Weg weisen kann“. Krasse Vorwürfe, getragen von Weidel.
Einige Jahre später – und mit ein paar Prozentpunkten mehr auf dem Konto – will Alice Weidel von Hitler-Vergleichen nichts mehr wissen. Im Gegenteil. Sämtliche Kritik am Landeschef blockte sie ab und stellte sich jüngst schützend vor ihn. „Ich möchte es einfach noch mal klarstellen. Er ist wirklich ein sehr, sehr guter Spitzenkandidat. Der macht einen hervorragenden Job“, sagte sie beispielsweise im Mai. Heute folgte das nächste Bekenntnis. Spannend, welch einen Sinneswandel ein prall gefülltes Prozente-Konto doch auslösen kann.
Dass Weidel Höcke den Rücken stärkt, könnte aber auch von eigenem Interesse sein. Höcke wieder ins Boot zu holen, könnte ihre interne Machtstellung stärken.