Für Edeka und Netto gibt es in den sozialen Netzwerken derzeit viel Applaus für eine angeblich mutige Aktion. Doch die vielen Kunden, die jenen Applaus spenden, müssten eigentlich auf die Barrikaden gehen. Ein Kommentar.
Nicht nur bei Edeka oder Netto wurde der Einkauf für Kunden in den beiden vergangenen Jahren deutlich teurer. Bei allen Supermärkten und Discountern bekamen Verbraucher in jüngerer Vergangenheit die Folgen einer gewaltigen Inflation zu spüren.
Edeka, Netto und Co: Preise steigen und steigen
Die Lebensmittelhersteller schraubten die Preise in teils schwindelerregende Höhen und hatten für ihre Preisgestaltung viele vorgeschobene Gründe: Lieferketten-Probleme, Krieg in der Ukraine, gestiegene Energie- und Rohstoffpreise, ebenso gestiegene Löhne oder auch die Corona-Pandemie. Experten weisen jedoch immer wieder darauf hin: Alle genannten Gründe können niemals allein ursächlich für die immensen Preissteigerungen sein.
Stattdessen würden die Hersteller die Gunst der Stunde nutzen und solche Ausreden missbrauchen, um die Preise nach oben zu treiben, heißt es von Branchen-Kennern. Dabei lassen die Hersteller sich so manchen Trick einfallen, um die Preisanpassungen zu kaschieren. Ein besonders beliebter Trick ist die sogenannte Shrinkflation. Das Wort setzt sich aus dem englischen Begriff shrink (schrumpfen) und Inflation zusammen. Es beschreibt das Phänomen, bei dem der Verpackungsinhalt eines Produktes abnimmt, während der Preis gleichbleibt oder sogar leicht steigt. Dadurch nehmen Kunden den Preisanstieg häufig nicht allzu stark wahr.
Edeka, Netto und die Shrinkflation
Edeka und sein Marken-Discount Netto rühmen sich nun damit, dieser Shrinkflation den Kampf anzusagen. Die beiden Einzelhandels-Ketten wollen in ihren Märkten jene Produkte groß und eindeutig kennzeichnen, bei denen Hersteller die Verbraucher an der Nase herumführen wollen. Ein Warnhinweis in Bierdeckel-Größe soll dabei helfen. In knallroter Schrift heißt es auf den Schildern: „Das Produkt wurde vom Hersteller im Inhalt reduziert und der Preis erhöht.“
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Dass der Händler eigentlich derjenige ist, der den Preis festsetzt, scheint bei der Aktion keine Rolle zu spielen. Edeka und Netto wollen die Schuld lieber einzig auf die Hersteller schieben. Und bei vielen Social-Media-Usern hat diese Strategie Erfolg. So veröffentlichte unter anderem eine große Verbraucher-Seite bei Instagram ein Foto eines solchen Schildes mit der Überschrift: „Sollte jeder Supermarkt so haben.“ Das Foto erhielt zehntausende Likes und in den Kommentaren massig Zuspruch.
Doch wofür eigentlich? Sind die Kunden wirklich so blind? Die Aktion von Edeka und Netto ändert doch nichts am ursprünglichen Problem. Sie zeigt den Kunden doch lediglich, wie sehr sie von den Herstellern über den Tisch gezogen werden. Wenn Edeka und Netto tatsächlich so viel am Wohl der Kunden gelegen wäre, sollten die Händler die Preisanpassungen nicht an die Kunden weitergeben oder die betroffenen Produkte nicht mehr anbieten, bis die Hersteller die raffgierige Preistreiberei unterlassen.
Applaus für PR-Stunt
Besonders schlimm an der ganzen Aktion: Die Filialen machen nicht mal mit. Im November hatte die Verbraucher-Organisation Foodwatch bei 50 Edeka-Niederlassungen in der gesamten Bundesrepublik gefragt, ob die Warnhinweise zur Shrinkflation an den Regalen hängen. Keiner der befragten Märkte beteiligte sich an der Aktion. Die meisten Märkte wussten nicht mal was von den Schildern. Und acht der befragten Märkte lehnten die Aktion grundsätzlich ab.
Doch bei Instagram lässt sich so eine Aktion gewiss schick inszenieren. Ob eine solche Aktion letztendlich umgesetzt wird oder gar Erfolg hat, ist vielen Verbrauchern offensichtlich egal. Und damit passt diese Aktion von Edeka und Netto perfekt in die heutige Zeit, in der Gesinnungsethik weit über Verantwortungsethik steht. Eine Zeit, in der das, was man sagt, deutlich mehr wiegt als das, was man wirklich in die Tat umsetzt. Für viele Menschen ist es heutzutage wichtiger, das perfekte Foto von der „Fridays For Future“-Demo bei Instagram zu posten, anstatt den eigenen überschwänglichen Konsum zu drosseln und tatsächlich etwas für die Umwelt zu tun.
Nur in solchen Zeiten können derart billige PR-Stunts wie von Edeka und Netto erfolgreich sein.