Der Freitagabend war beim ZDF lange Zeit ein Männerabend. Und dann kam, vor zwei Jahren, Katharina Böhm. „Die Chefin“ mischte die zuweilen behäbige Ermittler-Szene auf. Die Serie hat ihren Biss behalten – dank einer sympathischen Hauptdarstellerin und clever inszenierten Fällen.
Mainz.
Am Freitagabend sind in der Regel Männer den Tätern auf der Spur, zumindest im Zweiten. Egal ob „Der Alte“ ermittelt, „Der Staatsanwalt“ oder „Der Kriminalist“. „Ein Fall für zwei“ ist stets ein Fall für zwei Herren, selbst an der Spitze der „Soko Leipzig“ steht ein Kerl. Da war es vor zwei Jahren überfällig, dass „Die Chefin“ (ZDF, Freitag, 20.15 Uhr) die Männerwirtschaft aufmischte. Die Serie mischte den betulichen Krimi-Abend der Mainzelmänner auf. Jetzt steht die dritte Staffel an.
„Vertrauen“ heißt die erste, in kühlen Farben inszenierte Episode von Florian Kern (Regie) und Axel Hildebrand (Drehbuch), auch wenn es zunächst um das exakte Gegenteil geht. Eine Drogenrazzia scheitert gründlich. „Chefin“ Vera Lanz (Katharina Böhm) muss miterleben, wie ihr Kollege Paul Böhmer (Jürgen Tonkel) angeschossen wird. Die Dealer waren vor dem Zugriff per SMS gewarnt worden. Das thrillermäßige Intro endet mit der Frage: Wer war der Verräter?
Es knistert sogar
Konventionell mag sein, dass Vera Lanz sich mit Ermittlungsmethoden zwischen rechtmäßig und effektiv auf vermintem Gelände bewegt. Angeschärft wird der Konflikt durch eine persönliche Note. Lanz steht zwischen dem internen Ermittler Dominik Schneider (Bernhard Schir als Pokerface) und dem V-Mann Mario Fechtner (Misel Maticevic, wie so oft, als smart-charmanter Zocker).
Dazu kommt, dass unklar ist, welches Spiel Staatsanwalt Viktor Huber (Florian Teichtmeister) spielt. Allein unter Männern. Katharina Böhm nutzt die Chance, die ein kompliziertes, aber niemals verwirrendes Beziehungsgeflecht mit persönlicher und institutioneller Ebene bietet. Sie spielt so souverän mit Annäherung und Abgrenzung, Sicherheitsdenken und Risikobereitschaft, Kooperation und Konflikt, dass es Spaß macht, Vera Lanz bei der Arbeit zuzusehen. Misel Maticevic erweist als perfekter Gegenspieler von Katharina Böhm, die um ihre Attraktivität weiß, ohne sich ranzuschmeißen. Die Chemie zwischen den beiden Schauspielern stimmt, es knistert gar.
Sie weiß, was sie will
Ein Wortwechsel im Ping-Pong-Stil bringt ihr Verhältnis auf den Punkt. Er: „Was für ein Spiel spielen wir hier eigentlich?“ Sie: „Räuber und Gendarm.“ Er: „Konnte mich schon als Kind nicht entscheiden, wer ich sein wollte.“
Vera Lanz indes weiß, was sie will. Als Führungskraft ist sie cool, daheim, bei ihrer Tochter, warmherzig, und im Krankenhaus, bei ihrem verletzten Kollegen, mitfühlend, sentimental wird sie nie.
Da jeder Folge nur 60 Minuten zur Verfügung stehen, wird der Fall schnörkellos erzählt. Er endet mit einem Finale, das alle Regeln spannenden Erzählens kennt, allzu viele Klischees vermeidet und mit der Botschaft endet: Eine Frau steht ihren Mann.