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Ein Manga-Mädchen für Stockholm

Ein Manga-Mädchen für Stockholm

Köln. 

Jamie-Lee Kriewitz ist erst 17. Ein Alter, in dem sich junge Mädchen gerne durch die Haare gehen und „Oh my God“ rufen, wenn sie etwas Besonderes erleben. Jamie-Lee hat etwas Besonderes erlebt. Sie hat in Köln mit ihrem Lied „Ghost“ den deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest (ESC) gewonnen. Aber sie rauft sich nicht die Haare, sie bemüht auch nicht Gott, sie sagt nur ganz ruhig: „Ich freue mich.“ Und dass sie jetzt gerne feiern würde, sagt sie auch. Darf sie aber nicht. Jugendschutz.

Deshalb ist auch Eile geboten auf der Pressekonferenz. „Um 23 Uhr muss Jamie-Lee die Bühne verlassen“, sagt Iris Bents, NDR-Pressesprecherin und damit bei der ARD zuständig für den ESC. Und am nächsten Morgen darf die Gewinnerin auch nicht ins „Morgenmagazin“, weil sie bis dahin keine zwölf Stunden Pause gehabt hat, ergänzt Thomas Schreiber, ARD-Unterhaltungskoordinator.

Wobei es nicht den Anschein macht, als würde die Schülerin aus Springe bei Hannover dringend eine längere Pause benötigen. Unaufgeregt steht sie da, lächelt, hat ihren Glücksbringer, den Disney-Zeichentrickhelden Stitch im Arm und wirkt im ersten Augenblick ein wenig, als sei sie nach der Karnevalsfeier vergessen worden. Das liegt am Bühnenoutfit, in dem sie aussieht wie eine Figur aus einem japanischen Manga-Comic.

Gewagter Kopfschmuck mit Pandapüppchen, türkisfarbenes, kurzes Röckchen und hohe Kniestrümpfe zu kräftigem Lidstrich. „Decora Kei“ nennt sich diese japanische Mode, die Jamie-Lee im Internet entdeckt hat und die weitgehend ohne Regeln auskommt, so lange alles nur schön bunt ist. „Diesem Stil“, sagt die junge Frau, werde ich treu bleiben.“ Auch beim Finale des ESC.

Schaden, so viel steht fest, wird der Aufzug ihr dort nicht. Zumal das ungewöhnliche Outfit keine Masche zu sein scheint, sondern Überzeugung – genau wie ihre vegane Lebensweise. Überhaupt wirkt Jamie-Lee extrem natürlich, weshalb sie schon jetzt oft mit Lena verglichen wird, die einst im selben Alter an gleicher Stelle siegte. „Das ist ein Vergleich, mit dem ich leben kann“, sagt Kriewitz. Lena sei immer sie selbst geblieben. „Das hat mir gefallen.“

Singen allerdings kann Jamie-Lee auch. Beim Vorentscheid hat sie das in einer etwas mystisch angehauchten Bühnenshow mit waberndem Nebel und einem großen Mond im Hintergrund gemacht. „Das Gesamtpaket stimmt“, sagt Dieter Bohlen in solchen Fällen gerne, aber er war es nicht, der sie entdeckt hat.

Smudo und Michi Beck von den Fantastischen 4 haben sie in der Casting-Show „The Voice“ in ihr Team geholt und dort im Dezember vergangenen Jahres sogar zum Sieg geführt. Den Grundstein zu ihrer Karriere hat Jamie-Lee nach eigener Einschätzung aber in einem Gospelchor gelegt, in den sie vor fünf Jahren eingetreten ist. „Der Gruppe verdanke ich alles, was ich stimmlich draufhabe.“

Smudo traut ihr in Stockholm mindestens das Mittelfeld zu

„Unglaublich viel Bock“ auf den ESC hat sie jetzt und will „üben, üben, üben“. Weil der Tag aber nur 24 Stunden hat, wird der anstehende Schulabschluss um ein Jahr verschoben. „Ich will ein richtig gutes Abitur machen“, erklärt Jamie-Lee ihren Entschluss, eine Jahr mit der Schule zu pausieren. „Und das geht nicht, mit so vielen Fehlstunden, die ich jetzt anhäufe.“

Eine „große Ehre“ sei es, Deutschland zu vertreten, findet sie. „Mindestens Mittelfeld“ traut Ex-Coach und Mentor Smudo ihr dort zu. Der deutsche ESC-Kommentator Peter Urban hat gesagt, wenn es jetzt nicht mal eine gute Platzierung dort gebe, dann wisse er auch nicht weiter. Feiern jedenfalls darf Jamie-Lee nach dem Finale. „Bis dahin“, hat sie verraten, „bin ich nämlich 18.“