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Duisburg: Das Leben dieser Männer zeigt, dass früher eben nicht alles besser war

Duisburg: Das Leben dieser Männer zeigt, dass früher eben nicht alles besser war

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In Duisburg wird seit Kurzem mit Stolpersteinen an Männer erinnert, die während der Nazi-Zeit und darüber hinaus Schreckliches durchmachen mussten. Foto: Stolpersteine Duisburg

Duisburg. 

Wie erging es Schwulen während der Nazi-Zeit in Duisburg? Vier Stolpersteine findet man unter den vielen Pflastersteinen in Duisburg. Namen prangen auf goldenen Steinen, nur in wenigen Worten wird geschildert, wer die vier Männer eigentlich waren und warum ihre Namen verewigt wurden.

Ihre Geschichte und ihr schrecklicher Leidensweg während der Nazi-Zeit, alle diese Details passen nicht auf die kleinen Stolpersteine.

Dr. Kevin Clarke vom Schwulen-Museum in Berlin erklärt, was es tatsächlich für Männer während des Zweiten Weltkriegs und oft noch über diese Zeit hinaus bedeutet hat, wenn erst einmal bekannt worden war, dass sie homosexuell waren.

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Duisburg: Auch für Schwule: Die goldenen 1920er-Jahre

„In den offenen und liberalen 1920er Jahren gab es dank der Schwulen-Bewegung in deutschen Städten offen gelebte Homosexualität“, erzählt Clarke. Homosexuelle Männer mussten sich nicht verstecken.

„Händchenhaltende Männer gingen durch die Straßen und lebten ihre Liebe und sexuelle Orientierung offen, trotz Paragraph 175“, erklärt Clarke. Der Paragraph stellte sexuelle Handlungen zwischen Männern von 1872 bis 1994 unter Strafe.

Ab 1933 änderte sich das Leben für Schwule radikal

Ab 1933 änderte sich die Lebenssituation für Schwule „radikal“, wie Clarke erklärt. Viele Homosexuelle dürften schnell gemerkt haben, dass das mit den Nationalsozialisten schlimm enden wird. „Als die Nazis an die Macht kamen, wurde auch der Paragraph 175 noch weiter verschärft.“

Ab 1935 musste somit nicht einmal mehr bewiesen werden, dass Männer untereinander sexuelle Handlungen vollzogen hatten.

Bis 1935: „Die Polizei hätte sie quasi im Bett erwischen müssen“

„Bis 1935 brauchten sie Zeugen, die Polizei hätte sie quasi im Bett erwischen müssen, um Beweise zu haben“, so Clarke. Ab 1935 reichte schon die bloße Absicht, dass ein Mann einen anderen Mann küssen oder anfassen wollte, oftmals wurden solche Handlungen auch unterstellt, um jemanden loszuwerden“, erklärt Clarke weiter.

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„Homosexuelle in den Augen der Nazis unerwünschtes Leben“

Dabei gab es auch unter Nazis Homosexuelle. „Es gab durchaus hochrangige homosexuelle Nazis. Trotzdem waren Homosexuelle in den Augen der Nazis nicht erwünschtes Leben“, so Clarke.

Viele Schwule wurden erwischt, doch das Gericht sprach gerade Männer von der SA oder SS in der Regel frei. Schwule ohne gute Beziehungen landeten, wenn sie angezeigt wurden, schnell im Konzentrationslager oder im Zuchthaus.

„Die fünfjährige Haftstrafe überlebten viele Männer nicht, denn sie waren im sogenannten „Rosa Winkel“ in der Gefängnis-Hierarchie ganz unten. Sie galten als pervers und abartig und den Homosexuellen wurde schwerste körperliche Arbeit zugeteilt“, so Clarke.

Göring forderte sofortige Ermordung von Homosexuellen

Nazi-Reichsminister Hermann Göring wollte während der NS-Zeit sogar die sofortige Exekution von Homosexuellen durchsetzen. „Hitler wollte Görings Gesetzesvorschlag lange Jahre nicht unterschreiben. Um diesen Fakt ranken sich bis heute viele Verschwörungstheorien, ob Hitler selbst schwul gewesen sei. Ich halte das für Quatsch. 1943 unterschrieb er dann das Dokument, doch das Gesetz wurde nie umgesetzt“, erklärt Clarke.

„Letztendlich war es eine schizophrene Situation, manchmal wurde das Gesetz angewendet und manchmal nicht. So oder so, Schwule wurden gesellschaftlich geächtet.“

Verurteilte Homosexuelle: Lebenslang „als Kriminelle markiert“

Ein Mann aus Duisburg, der nicht nur gesellschaftlich geächtet wurde, hat seit Mitte September seinen eigenen Stolperstein. Walter Braumann. Er überlebte die Nazi-Zeit zwar, galt aber in der Bundesrepublik weiterhin als rechtmäßig verurteilter Straftäter und erhielt nie eine Entschädigung für dieses Unrecht.

„Verurteilte Homosexuelle waren ihr ganzes Leben lang bis 2017 als Kriminelle markiert“, erklärt Clarke. Erst der ehemalige Justizminister Heiko Maas setzte während seiner Amtszeit durch, dass Urteile aufgehoben und die Strafen aus den Führungszeugnissen entfernt wurden. „Doch die Männer waren bis dahin oft schon verstorben und hatten ihr ganzes Leben offiziell als Kriminelle verbracht“, so Clarke.

Die Gerechtigkeit kam also für die Männer, an die mit den Stolpersteinen in Duisburg erinnert wird, zu spät.

Du interessierst dich für die Geschichte der Homosexuellen während der Nazi-Zeit? Dann kannst du dir die aktuelle Ausstellung: „Tapetenwechsel“ im Schwulen Museum in Berlin ansehen.

Dieser Artikel erschien zuerst im Oktober 2018 auf DER WESTEN.