Siegen.
Als „kulturelles Phänomen“ bezeichnet Klaus Gräbener, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Siegen und ausgewiesener Ausbildungsexperte, den Prozess „Industrie 4.0“ – weil „klassische Industrie auf IT-Firmen, traditionelle Mittelständler auf Start-ups treffen werden“. Unsere Zeitung sprach mit ihm über die Folgen für Südwestfalen.
Ist Industrie 4.0 nur ein Thema für Konzerne oder auch für den Mittelstand?
Klaus Gräbener: Keine Frage: Für beide. Die Digitalisierung ist kein Phänomen, das nur eine Branche betrifft, sondern die gesamte Wirtschaft, weil sie Auswirkungen auf die Produktionsketten hat. Derzeit wird das Thema allerdings eher von großen Unternehmen aufgenommen.
Welche Herausforderungen kommen auf den Mittelstand zu?
Es sind mehrere Herausforderungen: Einerseits eine technologische, denn der Prozess muss technisch in und von den Unternehmen gestaltet werden, aber auch eine der Qualifizierung der Mitarbeiter. Ein Zerspanungsmechaniker muss schon heute programmieren können und über IT-Kenntnisse verfügen – in Zukunft aber noch viel mehr. Die Berufsbilder müssen sich anpassen. Zugleich steigen die Fortbildungsanforderungen. Die Kammern können das nur begleiten, indem wir den Erfahrungsaustausch organisieren. Gestalten müssen die Unternehmen selbst die Industrie 4.0.
Wo sehen Sie Risiken, wo Chancen?
Das größte Risiko wäre, den Prozess zu dämonisieren. Ich erwarte keinen Arbeitsplatzabbau. Es wird Verlagerungen geben. Vermutlich werden insgesamt mehr Jobs entstehen. Als in den 1980er-Jahren die CAD-Technik aufkam, hieß es, es gäbe bald keine technischen Zeichner mehr. Heute gibt es mehr Zeichner als damals. Sie nennen sich nur anders. Wichtig sind allerdings die Voraussetzungen: der Breitbandausbau, die Qualifizierung im Job und, die vielleicht größte Herausforderung, die IT-Sicherheit der Unternehmen.
Ist Südwestfalen durch den schleppenden und unterschiedlichen Breitbandausbau benachteiligt?
Es wäre besser, wenn wir in der gleichen Liga spielen würden mit den gut versorgten Regionen. Allerdings ist der Breitbandausbau in Südwestfalen tatsächlich von Gewerbegebiet zu Gewerbegebiet sehr unterschiedlich.