Die Männer in der Ukraine haben keine Wahl – sie müssen in den Krieg und gegen Putin ziehen. Dass sie woanders jedoch auch gebraucht werden, spielt dabei keine Rolle.
Auch wenn dadurch im Nachbarland Polen die Arbeitskräfte ausgehen. Denn hier arbeiten viele Ukrainer auf Baustellen und in anderen wichtigen Arbeitsmärkten. Weil sie nun in im Ukraine-Krieg kämpfen, werden sie in Polen schmerzlich vermisst. Ein Bauherr steht nun sogar komplett ohne Mitarbeiter da.
Ukraine-Krieg: Männer zwischen 18 und 60 müssen kämpfen – Polen sucht dringend Arbeiter
Viele Ukrainer müssen ihre Jobs in Polen aufgeben und zurück in ihr Land, um im Krieg gegen Russland zu kämpfen. Jeder Mann im Alter von 18 bis 60 Jahren wird eingezogen. Im Nachbarland waren noch vor Kriegsbeginn nach offiziellen Angaben etwa 30.000 Ukrainer beschäftigt, es dürften jedoch bis zu 1,5 Millionen gewesen sein.
Jetzt fehlen die arbeitenden Hände an jeder Ecke. Szymon Janiewski beschäftigt in seiner Baufirma sonst zehn Männer aus der Ukraine. Nun ist keiner von ihnen mehr da. Im Januar waren sie zu ihren Familien zurückgefahren und dann nach Ausbruch des Krieges nicht mehr zurückgekehrt.
„Ich habe keinen einzigen ukrainischen Angestellten mehr“, klagt der 40-jährige Geschäftsmann. „Sie waren das Rückgrat meines Unternehmens.“ So wie ihm geht es nun etlichen Unternehmern.
Ukraine-Krieg zwingt auch polnische Unternehmer in die Knie
Marlena Malag, die polnische Ministerin für Familien und Soziales, befürchtet einen dauerhaften Verlust von Arbeitskräften für viele Unternehmen. Am schwersten betroffen sei die Baubranche. Vier von fünf ausländischen Beschäftigten kämen aus der Ukraine, vor Kriegsbeginn insgesamt 480.000 laut dem Branchenverband PZPB. Dieser schätzt, dass mittlerweile ein Viertel das Land verlassen hat.
„Jeder in der Branche hat dasselbe Problem“, so Unternehmer Janiewski. Doch nicht erst seit dem Krieg sei der Fachkräftemangel ein Problemthema in Polen. Der Bedarf wächst von 2019 an von 150.000 gesuchten Arbeitern auf 250.000, wie Jan Stylinski vom PZPB beklagt. Besonders hart treffe es kleine und mittelständische Unternehmen im Osten von Polen, direkt an der Grenze zur Ukraine.
Ukraine-Krieg verschärft Fachkräftemangel in Polen – „Dramatisch“
Die fehlenden Arbeitskräfte sind jedoch nicht das einzige Problem für Polens Baufirmen. Durch den Krieg im Nachbarland seien die Preise für Asphalt, Treibstoff und Beton „dramatisch gestiegen“, wie Barbara Dzieciuchowicz von der Straßenbaubehörde meldet. Teils seien Baumaterialen um 27 Prozent teuer geworden – in nur einem Monat. Auch die Kosten für Dämmungsarbeiten stiegen, sogar um 72 Prozent. Die Inflation in Polen tue ihr Übriges mit bereits 8,5 Prozent.
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Auch weitere wichtige Produkte würden immer knapper werden. Wie auch hierzulande seien unterbrochene Lieferketten und Sanktionen der Grund. „Aus Belarus oder Russland kommt nichts mehr“, so die Sprecherin. Die Lage sei „extrem“, der Straßenbau in Polen jedoch nicht in Gefahr. Allerdings sei eine baldige Stabilisierung der Lage nicht in Aussicht, vermutet Dzieciuchowicz.
Ukraine-Krieg: Polnischer Bauherr nimmt flüchtige Familienmitglieder seiner kämpfenden Angestellten auf
Bauherr Janiewski macht jedoch aus der Not eine Tugend und versucht den Kontakt zu seinen ukrainischen Beschäftigten aufrechtzuerhalten. Er will sie in Zeiten wie diesen unterstützen. „Das war ein Team, mit dem ich seit vier Jahren zusammenarbeite. Ich habe sie geschult, wir haben uns gut verstanden.“
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Aktuell gewährt er zehn Familienmitgliedern seiner Arbeiter Zuflucht, darunter Witwen und Kinder. „Die Kinder sind schon in der Schule angemeldet“, erklärt Janiewski. Auch andere polnische Landsleute haben Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen, mittlerweile mehr als 2,2 Millionen Menschen. Es kommen vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen, die nicht im Krieg kämpfen müssen. (afp/mbo)