Bonn.
Eric X.ist wie ausgewechselt. Der Mann, der im April 2017 ein junges Camper-Paar in der Bonner Siegaue brutal überfallen und eine Studentin im Beisein ihres Freundes vergewaltigt hat, war im Hauptverfahren noch aufbrausend, aggressiv, hatte ständig den Richter unterbrochen.
Im Revisionsverfahren vor dem Bonner Landgericht sitzt Eric X. völlig ruhig da. Man könnte meinen, die schweren Fesseln, die der Vorsitzende Richter Klaus Reinhoff angeordnet hatte, seien gar nicht nötig.
„Ich habe den Eindruck, mein Mandant ist ein gebrochener Mann, seit er im Koma lag“, so auch X.s Verteidiger Martin Mörsdorf am Rand der Sitzung. Eric X. hatte sich schwer verletzt, nachdem er seine Zelle in der JVA Köln angezündet hatte – aus Wut über die angeblichen Lügen, die vor Gericht gegen ihn verbreitet worden seien. In suizidaler Absicht oder gar wahnhaft handelt Eric X. nicht – das machte Psychiaterin Nahlah Saimeh mit klaren Worten in ihrem Gutachten deutlich.
Gutachterin: Eric X. vergewaltigte Studentin, weil sich die Gelegenheit ergab
Eric X. vergewaltigte die junge Studentin, einfach weil sich die Gelegenheit ergeben hatte – davon ist Saimeh, die als neue Gutachterin im Revisionsverfahren fungiert, überzeugt.
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Damit ist Eric X. nach ihrer Einschätzung auch schuldfähig. X. zeige zwar psychopathische Züge und habe dissoziale Eigenschaften; Hinweise auf eine tiefgreifende psychische Erkrankung gebe es indes nicht.
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„Intelligenter Mann, der das steuern kann“
Wie ist dann sein Verhalten in der Hauptverhandlung zu erklären, das in völligem Kontrast zu seinem jetzigen steht? „Er ist ein durchaus intelligenter Mann und kann das steuern. Wenn er meint, es sei vielleicht sinnvoll, rumzupöbeln, dann tut er das. Mal gönnt man sich was, mal nicht, wenn das Setting es nicht zulässt“, so Saimeh.
Die Psychiaterin ist eine erfahrene Gutacherin, zuletzt hatte sie große öffentliche Bekanntheit als Sachverständige im Prozess um das sogenannte Horrorhaus von Höxter erlangt.
>> So präsentierte sich Eric X. im ersten Verfahren
Sie habe X. als einen höflichen, freundlichen Gesprächspartner erlebt. An zwei Tagen hatte sie den Angeklagten in der JVA-Klinik Fröndenberg besucht: Eric X. auf einem eingemauerten Bett seiner hochgesicherten Zelle sitzend, getrennt durch eine Plexiglasscheibe von der Psychiaterin.
„Verwöhnter, verzogener“ Prinz aus Ghana
Nahlah Saimeh schildert Eric X. als verzogenen, verwöhnten Mann mit einem ausgeprägten Klassenbewusstein und narzisstischen Zügen.
In seiner Heimat Ghana war X. laut eigenen Angaben als einziger Sohn eines Königs und Kakaoplantagenbesitzers aufgewachsen.
„Er erlebte eine klare Sonderstellung, wie wir das hier bis in die 50er oder 60er Jahre vielleicht auch von männlichen Hoferben im ländlichen Raum kennen“, so Saimeh.
Eigentlich habe X. Kapitän werden und die Welt sehen wollen, musste nach dem Tod des Vaters aber das Plantagenerbe antreten. Es kam zu Streitigkeiten mit den neun Halbschwestern und einem Schwager. Dieser „Nichtsnutz“ habe ihn angegriffen, woraufhin er ihn mit einem Stock erschlagen habe. Mit ein wenig Geld von der Mutter floh X. aus Angst vor der Familienrache nach Libyen, von dort über das Mittelmeer nach Italien und schließlich nach Deutschland.
„Wenn man mit einem Schlauchboot und 800 Euro rüberkommt, ist es schwer, das Klassenbewusstsein, das man als Prinz aus Ghana kannte, weiterhin leben zu können“, erklärt Saimeh.
Dieses ausgeprägte Klassenbewusstsein und eigentümliche kulturelle Vorstellungen seien letztlich auch bei der Tat wirksam geworden.
Eric X. soll Opfer als eine Art Obdachlose angesehen haben
„Dass da eine Frau allein mit einem Mann in der Öffentlichkeit in einem Zelt schlafe, das kam ihm sehr merkwürdig vor. Er hielt die junge Frau für eine Art Obdachlose“, berichtet Saimeh.
Also habe er abgewogen: Es gab die Gelegenheit zum Sex und er hielt es für ausgeschlossen, dass eine solch „merkwürdige Frau“ zur Polizei gehen würde. Also vergewaltigte er sie.
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„Noch während der Tat reagierte er auf Störfaktoren wie etwa den Freund seines Opfers, der mit der Polizei telefonierte. Er ging so gesteuert vor, das kann fast man als Lehrbuchbeispiel nehmen“, so die Psychiaterin.
Eric X. scheint die Tragweite seiner Taten immer noch nur bedingt klar zu sein. Er streitet sie ab – trotz erdrückender Beweislast. „Er sei Christ und bete zu Gott, das er ihm aus diesem Schlamassel befreie.“
Das Studentenpaar, das X. überfallen hatte, leidet bis heute massiv unter den Folgen der Tat.
Eric X.: Persönlichkeitsstörung ausgeschlossen
X. war bereits vom Landgericht Bonn zu einer Haftstrafe von elfeinhalb Jahren verurteilt worden, war aber gegen den Rat seines Verteidigers in Revision gegangen.
Der Bundesgerichtshof hatte das Urteil aufgehoben – wegen möglicher Verfahrensfehler. Denn die Persönlichkeitsstörung von Eric X., die die damaligen Gutachter noch attestiert hatten, sei nicht genügend bei der Frage nach der Schuldfähigkeit berücksichtigt worden.
Angesichts des neuen Gutachtens, das eine Persönlichkeitsstörung ausschließt, ist wohl damit zu rechnen, dass es beim ursprünglichen Urteil bleibt.