Am Ende wollte Nicolas Berggruen die Essener Warenhauskette Karstadt nur noch loswerden. Für einen Euro greift nun der österreichische Investor René Benko zu. Ob er das Kapitel Karstadt früher oder später beendet? Zunächst einmal gibt es wohl eine harte Sanierung.
Essen.
Nicolas Berggruen kappt sämtliche Verbindungen. Für einen symbolischen Euro gibt er alles ab, was ihm noch in Sachen Karstadt gehört hat: das Warenhausgeschäft mit bundesweit mehr als 80 Filialen, seine verbliebenen Anteile an den Luxuskaufhäusern KaDeWe in Berlin, Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in München. Auch von den Karstadt-Markenrechten trennt sich Berggruen. René Benko bekommt alles für einen Euro. „Das ist ein klarer Schnitt“, heißt es in Berggruens Umfeld.
Seit Monaten hatte Berggruen seinen Abschied vorbereitet. Als er die Warenhauskette im Jahr 2010 ebenfalls für einen symbolischen Euro aus der Insolvenz heraus übernahm, wurde er noch als Firmenretter gefeiert. Doch Karstadt entwickelte sich für den deutsch-amerikanischen Milliardär zunehmend zum Desaster. Berggruen gelang es im Laufe der Jahre nicht, das Unternehmen wieder in die schwarzen Zahlen zu bringen. Karstadt sei für ihn „kein gutes Geschäft“ gewesen, nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch mit Blick auf seinen Ruf in Deutschland, sagt er heute. Nun wolle er den „Weg frei machen für einen Neuanfang“.
Was Berggruen wie eine noble Geste verkauft, bewertet die Gewerkschaft Verdi deutlich kritischer. In früheren Jahren hatte Verdi noch treu an der Seite von Berggruen gestanden. Was bleibt, ist Enttäuschung. Sogar von Täuschung ist die Rede. „Statt in Karstadt zu investieren, hat Herr Berggruen über 2000 Arbeitsplätze vernichtet und Kapital aus dem Unternehmen gezogen“, schimpft Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. „Die Beschäftigten sind von diesem angeblich sozialen Investor Berggruen bitter getäuscht worden.“
Benkos Firma Signa hatte bereits großen Einfluss bei Karstadt
Die rund 17 000 Beschäftigten von Karstadt müssen sich nun auf eine scharfe Sanierung einstellen. „Karstadt muss jetzt erst einmal in eine stabile Seitenlage gebracht werden“, sagt der Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.
Schon bisher hatte Benkos Unternehmen Signa großen Einfluss bei Karstadt. Benko gehört mit 25 Immobilien zu den wichtigsten Vermietern der Warenhauskette. Im September vergangenen Jahres übernahm Signa die Mehrheit von 75,1 Prozent an den Kaufhäusern KaDeWe, Alsterhaus und Oberpollinger sowie Karstadt Sports für einen Euro, im Gegenzug sagte Benko Investitionen in Höhe von 300 Millionen Euro zu. Bislang waren erst 200 Millionen Euro geflossen. 100 Millionen Euro sollten in den nächsten Wochen überwiesen werden.
„Benko musste die Notbremse ziehen“
„Benko musste die Notbremse ziehen“, vermutet Thomas Roeb. „Womöglich hätte Karstadt in einem halben Jahr eine Insolvenz gedroht. Das hätte auch Benko betroffen. Er ist ein großer Vermieter von Karstadt-Immobilien. Außerdem gehören ihm schon die Sport- und Premiumfilialen, die noch teilweise zentrale Dienste von Karstadt nutzen.“
Karstadt-Aufsichtsratschef Stephan Fanderl hatte vor der Übernahme durch Benko keinen Zweifel daran gelassen, dass vielen Filialen das Aus droht. Fanderl sprach „von mehr als 20 Häusern“. Ob sich die Lage durch den Eigentümer verändert, ist offen.
„Das Naheliegendste für einen Immobilieninvestor wie Benko wäre es, das Kapitel Karstadt zu beenden und die Häuser Schritt für Schritt zu innerstädtischen Einkaufszentren umzuwandeln“, sagt Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. Doch die Investitionen wären gewaltig.
Für den kommenden Donnerstag war eine Sitzung des Karstadt-Aufsichtsrats geplant. Ob es zu dem Treffen kommen wird, ist fraglich. In dem Gremium sitzen jede Menge Berggruen-Leute, die vor der Ablösung stehen.