Es war ein schwieriger TV-Auftritt für den obersten Katholiken in Deutschland: Georg Bätzing ist Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Am Sonntagabend musste er sich der Bischof von Limburg bei Anne Will der Frage stellen, ob die katholische Kirche angesichts von Missbrauch, Lügen und Vertuschung noch zu retten sei.
Bei Anne Will fand der Bischof erstaunlich deutliche Worte gegen den emeritierten Papst Benedikt, bekam gleichzeitig aber auch viel Gegenwind aus der ARD-Runde.
Anne Will (ARD): Chef-Bischof staucht Papst Benedikt zusammen – „Wirklich eine Schwäche von ihm“
„Der Schaden ist immens“, so Bischof Bätzing auf die Frage, was die mittlerweile eingeräumte Falschaussage von Papst Benedikt im Missbrauchsskandal des Erzbistums München und Freising bedeute.
Es sei ein Schaden, der nicht gut zu machen sei. Die Gläubigen seien verwirrt und empört. Deshalb müsse sich der Papst nun äußern: „Er muss sich über seine Berater hinwegsetzen und im Grunde den schlichten, einfachen Satz sagen: Ich habe Schuld auf mich geladen. Ich habe Fehler gemacht. Ich bitte die Betroffenen um Verzeihung. Anders geht es nicht.“
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Mehr über die ARD-Talkshow Anne Will:
- Seit 2007 wird die TV-Talkshow im Ersten ausgestrahlt.
- Die Sendung läuft sonntags um 21.45 Uhr und dauert 60 Minuten.
- Anne Will war die Talk-Nachfolgerin von Sabine Christiansen.
- Von 2011 bis 2016 wurde sie durch Günther Jauch von ihrem Sendeplatz verdrängt. Ihre Talkshow lief in diesen Jahren am Mittwochabend.
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Mit anderen Worten: Der oberste katholische Geistliche in Deutschland fordert von seinem Landsmann eine klare, öffentliche Entschuldigung. Alle bisherigen Erklärungsversuche, wie es zu der Falschaussage kam, seien „ein Wirrnis“.
Werde das auch passieren, hakte Moderatorin Anne Will nach. „Ich traue es ihm zu, wenn er es schafft, sich von Beratern zu distanzieren. Das ist nun wirklich eine Schwäche von Benedikt XVI., von Joseph Ratzinger, sich nicht immer mit den besten Beratern zu umgeben“, so Bätzinger überraschend offen und kritisch.
Juristin poltert bei Anne Will gegen die katholische Kirche
Juristin Ingrid Matthäus-Maier, ehemals langjährige Bundestagsabgeordnete der SPD, ging mit der Katholischen Kirche hart ins Gericht. Sie forderte Berufsverbote für Priester, die sich strafbar gemacht hätten. In der katholischen Kirche sei man sonst „ja nicht kleinlich mit Berufsverboten“, höhnte sie.
So habe sie einen Chefarzt eines katholischen Krankenhauses juristisch unterstützt, der nach einer Scheidung ein zweites Mal heiratete und dann über Jahre von der Kirche verfolgt worden sei, bis er letztlich am Europäischen Gerichtshof gewann.
„Aber wenn ein Geistlicher einen zehnjährigen Messdiener dreimal in der Woche in sein Zimmer holt und mit dem die schlimmsten Sachen macht, dann wird er hin- und hergeschoben zwischen den Bistümern“, polterte Matthäus-Maier den Bischof.
Kirchenkritikerin bei Anne Will (ARD): „Die Dunkelziffer ist sehr, sehr viel höher“
Darüber hinaus forderte die Politikerin eine staatliche Untersuchungskommission wie in Frankreich, die Zugang zu den kirchlichen Archiven habe, damit Akten nicht noch vernichtet oder geschwärzt werden. In Frankreich seien so über 200.000 Fälle ans Licht gekommen. „Und wie viele Fälle haben wir? Da geht es immer um ein paar Tausend, was schon schlimm genug ist. Die Dunkelziffer ist sehr, sehr viel höher“, vermutete Matthäus-Maier in der Sendung von Anne Will.
Zuletzt polterte sie über die Zahlungen an die Betroffenen, die „in den meisten Fällen lächerlich“ ausfallen würden.
Bischof wehrt sich bei Anne Will: „Die allermeisten Täter schon verstorben“
Bischof Georg Bätzing wehrte sich energisch gegen die Anschuldigungen. Man rede über einem Zeitraum von 75 Jahren, in denen Fälle untersucht wurden. „Die allermeisten Täter sind leider Gottes verstorben. Alle, die Täter sind und leben, werden einem kirchlichen Verfahren zugeordnet, weil die Staatsanwaltschaften gar nichts mehr unternehmen können wegen Verjährung.“
Es komme zu Berufsverboten und zu Entlassungen aus dem Klerikerstand durch kirchliche Gerichte. In solchen Fällen gebe es für die Opfer auch ganz andere Ausgleichszahlungen als Entschädigung.
Der Bischof würde sich aber wünschen, dass es mehr öffentliche Gerichtsprozesse gebe, bei denen auch über Schmerzengelder und Entschädigungen verhandelt werden
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Matthias Katsch Mitbegründer und Sprecher der Betroffeneninitiative „Eckiger Tisch“, hielt dagegen. Die Kirche sperre sich doch gegen Konsequenzen im Zivilrecht und spreche von „Anerkennungsleistungen“ für die Betroffenen. Diese erhalten bis zu 50.000 Euro, viel zu wenig aus Sicht vieler Betroffenenverteter.
„Eine Aufarbeitung muss auch in Fällen, die strafrechtlich nicht mehr zu regulieren sind, dafür Sorgen, dass wir wenigstens erfahren, wer, wann, was, wo. Und welche Verantwortungsträger dahinter stehen“, sagte Katsch. Das sah der Bischof in der ARD-Runde genauso.