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Nationalismus oder EM-Fieber? „Ein bisschen mehr Patriotismus würde uns guttun“

Fahnenmeer und Nationalstolz: Die EM ist zurück! Aber wie viel Patriotismus ist in Ordnung, bis es zum Nationalismus kippt?

Die EM bringt nicht nur Fußballfieber, sondern auch Diskussionen über Patriotismus mit sich. Wir haben Fans befragt.
© IMAGO/Mika Volkmann

Reden wir drüber: Wieviel Flagge zeigen bei der EM ist eigentlich ok?

Die EM ist zurück in Deutschland und mit ihr die Flaggen. Doch sind diese Deutschland-Symbole nur patriotisch oder auch nationalistisch?

Fahnen wehen an Autos und Fensterbänken. Menschen tragen Trikots, grün und pink und die Deutschlandfarben im Gesicht. Die EM ist zurück in Deutschland und mit ihr die Nationalflagge. Nur ein bisschen Patriotismus, um die Jungs anzufeuern, finden die einen, patriotischer Kitsch mit Beigeschmack, die anderen.

Wusstest du, dass du bei der EM keine Flagge mit dem Bundesadler hissen darfst? ++Hier erfährst du, warum++

Wieviel Deutschland-Symbol ist ok und sollte man sich diese Frage überhaupt noch stellen? Wir haben Fußballfans auf der EM-Meile in Berlin gefragt, was sie über diesen National-Merch denken.

EM: Fußball ist gut für den Nationalstolz

Flaggen und Wappen sind normal im Fußball, der kleinste Kreisligaverein hat schließlich sein eigenes Emblem. Auch internationale Turniere werden seit jeher mit Fähnchen und Schals begleitet. Wieso sollte es also problematisch sein, sein Land zu präsentieren? Viele argumentieren, Deutsche müssten vorsichtiger sein mit dem Patriotismus. Aufgrund des früheren Nationalsozialismus in Deutschland solle man sich mit Nationalstolz, der allzu schnell in Nationalismus umschwenken könnte, zurückhalten.

Tatsächlich zeigt eine Studie von Michael Mutz aus 2018, dass im Zusammenhang mit erfolgreichen Großturnieren der Nationalstolz steigt. Demnach sind die Menschen mit jedem gewonnenen Spiel mehr der Auffassung, dass Deutschland anderen Nationen überlegen sei. Es wird sogar von den Qualifikationen im Fußball auf die in der Politik geschlossen: Nach jedem sportlichen Erfolg steigt die Ansicht der Deutschen, Deutschland solle mehr internationalen Einfluss haben, so Mutz.

Ein Gegenargument ist der „Özil-Effekt“. Mesut Özil erreichte mit der Nationalmannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 den dritten Platz. Noch viel wichtiger jedoch – der gebürtige Türke wurde zu einem der Lieblingsspieler dieser Zeit. Dadurch seien rassistische Einstellungen bei Teilnehmern der WM zurückgegangen. Das fand eine Studie zu den Einstellungen der Deutschen zur kulturellen Vielfalt rund um die WM 2010 von Andreas Zick heraus. Fußball kann also durchaus für Vielfalt sorgen.

„Ich habe lange Zeit gebraucht, überhaupt Flagge zu zeigen“

Unsere Redaktion hat Fußballfans gefragt, wie es sich für sie anfühlt, die Deutschlandfarben bei der EM zu tragen. Eine Befragte, die viele Accessoires in Deutschlandfarben trägt, erzählt uns: „Ich habe lange Zeit gebraucht, überhaupt Flagge zu zeigen. Aber wir dürfen das, weil andere Länder das auch machen, und natürlich müssen wir immer daran denken, was das mal bedeutet hat. Auf der anderen Seite können wir trotzdem auch stolz sein, dass wir so ein weltoffenes Land sind.“

Ein anderer Fan, im neuen pinkfarbenen Deutschland-Trikot gekleidet, findet, es sollte sogar noch mehr Deutschlandflaggen geben, auch außerhalb der EM. „Das ist nichts, wofür man sich schämen müsste. Ein bisschen mehr Patriotismus würde uns an der ein oder anderen Stelle ganz gut tun.“


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Quellen: „Football-related patriotism in Germany and the 2016 UEFA EURO“ und „Özil-Effekt. Eine Studie zu den Einstellungen der Deutschen zur kulturellen Vielfalt, Afrika und zur nationalen Identität rund um die WM 2010