In Deutschland leben derzeit mehr als 21 Millionen Rentner, sie alle spüren den Druck der steigenden Kosten. Am 01. Juli gibt es immerhin eine kleine Entlastung, bundesweit steigt die Rente um 4,57 Prozent. Durchschnittsrentner erhalten zwischen 35 und 61 Euro mehr pro Monat. Den Lebensstandard verändern wird diese Erhöhung aber wohl kaum – so auch im Fall von Ulla.
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Die heute 72-Jährige ist theoretisch seit sieben Jahren in Rente, doch faktisch kann sie sich den Ruhestand nicht leisten. Das erzählt sie „Zeit Online“. Ulla hat sich auf dem zweiten Bildungsweg dafür entschieden, Physiotherapeutin zu werden – 50 Jahre später übt sie ihren Traumberuf noch immer aus.
Rente: „Für Hausfrauen wie mich funktioniert das Rentensystem nicht“
Das allerdings eher unfreiwillig, denn sie selbst würde lieber die wohl verdiente Ruhe genießen. Das Problem: Sie hat nie wirklich in Vollzeit gearbeitet und wurde bereits kurze Zeit nach der Ausbildung, mit 26 Jahren, schwanger. „Die Rollenverteilung war klar: Ich blieb zu Hause und mein damaliger Mann ging zur Arbeit in die Praxis, er war Arzt“, so Ulla.
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Damals sei es nicht üblich gewesen, dass sich der Mann an der Erziehung beteiligt. Dies galt auch für das zweite Kind, welches 16 Monate später zur Welt kam. Drei Jahre später folgte Kind Nummer drei, erneute drei Jahre später Kind Nummer vier. In den acht Jahren konnte die Rentnerin kaum arbeiten, für unter Dreijährige gab es zum damaligen Zeitpunkt noch keinen Kindergartenplatz. Familiäre Unterstützung gab es kaum.
Erst als das jüngste Kind in die Kita konnte, nahm sie ihren Beruf wieder auf – als Halbtagskraft. Zusammengerechnet fehlten Ulla also elf Jahre, in denen sie keine Rentenpunkte sammeln konnte.
„Das werfe ich unserem Rentensystem auch vor: Für Hausfrauen wie mich funktioniert das Rentensystem nicht.“
Ihrer Meinung nach eine geschlechterspezifische Ungerechtigkeit an der Rente, denn sie hätte in anderer Form gearbeitet:
- Kochen
- Putzen
- die Kinder zum Musikunterricht/Handball/Reiten bringen
- die Kinder zu Freunden fahren
Weil sich ihr Mann so wenig um die Kinder gekümmert hätte, folgte die Scheidung. Die Einkommensquelle der Familie brach weg und Ulla stand vor dem wirtschaftlichen K.O.
Rentnerin: „Macht euch nicht abhängig von euren Männern“
Wegen der geringen Anzahl an Beitragsjahren beträgt die derzeitige Rente von Ulla lediglich 840 Euro pro Monat. Ein Betrag, mit dem sich der Lebensunterhalt nur schwer stemmen lässt. Glücklicherweise erhält sie einen Rentenausgleich über ihren Ex-Mann, sodass es insgesamt knapp 1.500 Euro sind. Eine private Altersvorsorge hat sie nicht abgeschlossen.
„Ich komme schon zurecht, aber ich muss mich jedes Jahr etwas mehr einschränken. Seit die Preise so gestiegen sind, kann ich mir keine Bio-Produkte mehr leisten. Die Urlaube werden kürzer, mein altes Auto habe ich gerade noch über den TÜV bekommen und will es noch solange fahren, wie es hält. Danach werde ich mir kein neues leisten“.
Ulla hat fast ein Jahrzehnt ihre komplette Energie in die Familie gesteckt, die Enttäuschung ist daher umso größer: „Ich ärgere mich aber auch über unser Rentensystem. Ich finde, für die Kindererziehung müsste es mehr Rentenpunkte geben. Mütter in Teilzeit sollten die Rentenpunkte auf Vollzeit aufgestockt bekommen, finde ich. Aber mich fragt ja keiner! Und dann wundern sich alle, dass junge Frauen seltener Kinder bekommen wollen“. Sie hat daher einen Rat an junge Frauen.
„Macht euch nicht abhängig von euren Männern. Ich habe als Hausfrau und Mutter irre viel unbezahlte und unsichtbare Arbeit geleistet. Ich habe das gerne gemacht und bin froh, dass ich für meine Kinder da sein konnte – aber heute spüre ich finanziell, wie sich das auswirkt.“