Für seine Freiheit riskierte er sein Leben. Vor fast 50 Jahren flüchtete Leslie Mandoki (71) aus dem kommunistischen Ungarn, wo er mit seiner Band in der studentischen Opposition aktiv war, nach Deutschland. Damals, Mitte der 1970er Jahre war München eine der wichtigsten Musikstädte der Welt. Weltstars wie Queen, Deep Purple, Donna Summer, Elton John oder Led Zeppelin nahmen hier in den Tonstudios auf.
Mit Unterstützung unter anderem von Udo Lindenberg konnte Mandoki als junger Schlagzeuger erste Kontakte in die Studioszene knüpfen. Dann kam der erste „feste“ Job als Sänger und Tänzer in der legendären Formation „Dschinghis Khan“. Für Mandoki als seriösen Jazzrock-Musiker eigentlich ein Albtraum.
Ein Interview über hektische Bühnenbewegungen und was Robbie Williams damit zu tun hat.
Herr Mandoki, am 10. Mai erscheint Ihr 16. Rock-Album mit den MANDOKI SOULMATES. Aber sie werden immer noch mit der Ralph Siegel Formation „Dschinghis Khan“ in Verbindung gebracht. Stört Sie das?
Nein. Wenn wir heute mit den Soulmates auf den Bühnen der Welt unterwegs sind, spricht mich niemand auf meine Zeit bei Dschinghis Khan an. Das ist ja inzwischen 45 Jahre her und war für mich auch nur ein kurzer Abschnitt, für den ich durchaus dankbar bin, denn: Als Asylant brauchte ich erstmal einen richtigen Job – und das war 1979 eben meiner. Ich habe auch damals versucht, dieses Projekt so gut es ging mitzugestalten.
Nur der Aspekt „Tanzen“ war und bleibt für mich immer eine peinliche Angelegenheit. Da bin ich einfach typisch Jazzrock-Musiker, nicht nur, weil ich ungern tanze, sondern weil ich es auch nicht sonderlich beherrsche. In der Retrospektive sage ich immer, ich hätte das Popstar-Dasein bei Dschinghis Khan damals vielleicht etwas entspannter genießen können. Ich wollte einfach nie meine Demut gegenüber der Musik und dem Musikersein an eine kurze, sternschnuppenhaft aufleuchtende Popstar-Scheinwelt verlieren.
Und so habe ich nebenher fast jede Gelegenheit genutzt, in Jazz-Clubs bei Sessions einzusteigen.
Dabei muss man ja auch nicht tanzen. Wie reagierten denn die Jazz-Fans auf Sie als Dschinghis Khan Mitglied?
Ich denke, die meisten Jazz-Fans werden sich wohl nicht mit Dschinghis Khan beschäftigt haben. Es gab also glücklicherweise nicht so viele Berührungspunkte. Da geht es auf der Bühne nur um das musikalische Zusammenspiel und nicht um Tanzperformance. So etwas ist gerade unter Jazzrockern ziemlich verpönt.
Als beispielsweise nach seinem Ausstieg bei „Take That“ Mitte der 90er Jahre für Robbie Williams die ersten Schritte als Solo-Künstler noch nicht so erfolgversprechend liefen, hat uns der damalige RCA Chef angeboten, dass er auch bei den Soulmates mit einsteigen könnte.
Ich weiß noch, wie ich damals mit Jack Bruce von Cream im Studio am Mischpult saß, als die Musikkassette der Plattenfirma kam. Darauf stand „Ex-Take That“. Jack, der ebenfalls Gründungsmitglied der Soulmates ist, sagte nur „mein Gott, so einen, der bloß herumtanzt, den können wir hier nicht brauchen“, und warf er das Tape einfach ungehört in den Papierkorb. Für ihn waren „Take That“ Tänzer und keine Musiker. Und Musiker tanzen nicht.
Hat Robbie Williams je davon erfahren?
Ja, ich habe es ihm Jahre später erzählt.
Und wie hat er reagiert?
Er hat gelacht und mich dann gefragt: sag mal, du hast doch damals bei Dschinghis Khan auch getanzt, oder? Danach war das Eis gebrochen.
Sie sind gebürtiger Ungar, bereiten Ihnen die derzeitigen Entwicklungen in Ungarn Sorge?
Ich bin nicht so oft dort. Zuletzt haben wir im vergangenen Sommer in meiner Geburtsstadt Budapest ein Konzert gespielt. Aber natürlich verfolge ich die Entwicklungen. Vielleicht ist es auch die Verpflichtung meiner Biografie, als heutiger Deutscher, den die stalinistische Herrschaft mit zweiundzwanzig Jahren zur Flucht aus Ungarn getrieben hat, den Dialog aufrecht zu halten.
Denn Europa ist ein Miteinander und kein Gegeneinander. Es benötigt einen streitbaren Diskurs, um für unsere europäischen Werte einzutreten. Dabei sollte man stets das Verbindende im Blick haben und nicht nur das, was uns trennt. Gerade diejenigen, die die blutige Niederschlagung der Revolution von 1956 miterlebt haben, tragen die Russophobie im Herzen. Ich war damals zwar erst drei Jahre, aber es hat mich geprägt. Seitdem sind für mich Frieden in Freiheit und Freiheit in Frieden die höchsten Güter. Und ich glaube, das ist etwas, was uns alle wirklich einen sollte.
Und darum geht es auch in dem neuen Album von Mandokis Soulmates?
Ja. Nach der Pandemie und mit inzwischen zwei schrecklichen Kriegen in Europa und Nahost befinden wir uns heute in einem Labyrinth multipler Krisen, die an den Grundfesten unserer Zivilisation nagen. Die Welt mit all unseren bisherigen „Normalitäten“ spielt verrückt und wir scheinen unseren Kompass verloren zu haben. Ich beschäftige mich als dreifacher Vater viel mit Generationengerechtigkeit und welche Welt wir unseren Kindern und Enkeln hinterlassen werden.
Die Herausforderungen der Weichenstellung sind viel zu gewaltig, um uns erlauben zu könnten, nicht gemeinsam zu agieren. Hier sind alle gefordert, gemeinsam Lösungen zu finden, die auch generationsgerecht länger Bestand haben. Das geht aber nur Miteinander statt Gegeneinander! Wir brauchen wieder mehr Mut zur Utopie. Für eine gemeinsame Zukunft in einer besseren Welt.
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Wer sind eigentlich Ihre Soulmates, also Ihre Seelenverwandten?
Die Soulmates auf dem aktuellen Album sind Ian Anderson, Mike Stern, Al di Meola, Randy Brecker, Till Brönner, Bill Evans, Cory Henry, Richard Bona, Steve Bailey, Simon Phillips (Toto) sowie Tony Carey (Rainbow), Nick van Eede (Cutting Crew) und von den legendären Supertramp John Helliwell, Jesse Siebenberg und Mark Hart.
Nach unserer letztjährigen 30th Anniversary Soulmates-Tour durch Europa verbrachten viel Zeit miteinander im Studio und meinem nahegelegenen Haus am Starnberger See, um an diesem Album zu arbeiten. Wie in einer alten Hippie-Kommune haben wir musiziert, aber auch gemeinsam gekocht, gelacht, philosophiert und auch mal mit dem Kanu auf dem See gepaddelt. Das waren richtig schöne Lebensmomente.
Und wie in den guten alten Zeiten, haben wir das Album komplett analog produziert, um gerade in Zeiten von KI-Fakes und alternativen Fakten etwas wirklich Wahrhaftiges entgegenzusetzen. Ich finde, das ist uns auch wirklich sehr gut gelungen!
Sie sind jetzt 71 Jahre alt. Wie lange wollen Sie das noch machen?
Solange ich dazu Lust habe. Es geht mir gut, ich bin so gut wie nie krank. Ob Sie es glauben oder nicht, ich war schon ewig nicht mal mehr beim Zahnarzt.
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Wie bitte?
Warum sollte ich? Ich bin gesund. Und die Musik gibt mir Kraft. Gerade wenn wir in dieser Besetzung live spielen, ist es immer wieder grandios, was für ein Feuerwerk an Musikalität da auf der Bühne brennt. Da fühle ich mich wie 30, unglaublich lebendig und möchte selbst nach einem dreieinhalbstündigen Konzert und vielen Zugaben gar nicht aufhören.
Das können Sie am 15. August selbst erleben, wenn wir dieses Jahr unser einziges Konzert in Deutschland geben. In München. Da wo vor knapp 50 Jahren alles für mich begann.
Mandoki Soulmates – „A MEMORY OF OUR FUTURE” erscheint am 10. Mai. Die ersten Singleauskopplungen „The Big Quit, „Blood In The Water“ und „Devil’s Encyclopedia“ gibt es schon jetzt auf allen Streaming- und Downloadplattformen.