Der neue Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen hat am Mittwoch in seiner ersten Ratssitzung bekannt gegeben, wo die Stadt zwei weitere Zeltdörfer für Flüchtlinge errichtet.
Essen.
Der neue Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen hat am Mittwoch zu Beginn der Ratssitzung um kurz nach 15 Uhr den Amtseid geleistet. Vereidigt wurde der CDU-Mann von Bürgermeister Rudi Jelinek (SPD), der bis dahin die Sitzung leitete. Bevor Kufen, der mit einem Blumenstrauß in den Stadtfarben Blau und Gelb begrüßt wurde, die Ratssitzung fortführen konnte, nahm er zahlreiche Glückwünsche entgegen – auch von den Alt-OBs, Reinhard Paß, Annette Jäger (beide SPD) und Wolfgang Reiniger (CDU). Nach einem Dank an seine Vorgänger, besonders an Paß, der einen „geräuschlosen und würdevollen Stabwechsel“ ermöglicht habe, ging Kufen in seiner Grundsatzrede schon bald auf die „gewaltigen Herausforderungen“ der Stadt ein.
Neue Zeltdörfer in Burgaltendorf und Frohnhausen Thomas Kufen gab bei seiner ersten Ratssitzung als Essener OB auch die Standorte für zwei neue Zeltdörfer bekannt: An der Vaeste Straße/Burgstraße in Burgaltendorf und an der Hamburger Straße in Frohnhausen sollen jeweils 400 Asylbewerber untergebracht werden.
Zur Flüchtlingskrise sagte Kufen, dass es Grenzen der Belastbarkeit gebe, doch Essen habe schon schwierigere Krisen gemeistert. „Mit dem guten Willen, etwas zu erreichen, werden wir das schaffen. Machen wir uns an die Arbeit.“
Turnhallen sollen mittelfristig wieder genutzt werden können Die Sporthalle an der Klapperstraße in Überruhr-Holthausen wird kurzfristig wieder als solche genutzt. Die anderen Turnhallen sollen mittelfristig als Notunterkünfte aufgegeben und wieder als Sportstätten genutzt werden. Durch die Anmietung des ehemaligen LVR-Klinik-Standortes an der Barkhovenallee in Heidhausen sollen auch die übrigen belegten Turnhallen mittelfristig wieder von den Schulen und Sportvereinen genutzt werden können.
Die beiden neuen Einrichtungen in Burgaltendorf und Frohnhausen, die der Krisenstab der Stadt beschlossen hat, sollen Anfang 2016 bezugsfertig sein.
Die Stadtverwaltung wird die Nachbarn der neuen Flüchtlingsdörfer in Informationsveranstaltungen über die Standortauswahl, die Gründe für den Aufbau von Flüchtlingsdörfern, die Art der Unterbringung und das Betreuungskonzept für die Einrichtung informieren. Die Termine werden noch bekannt gegeben.
Die neuen beiden Zeltdörfer sind die mobilen Unterkünfte Nummer acht und neun in Essen: Bezogen sind bislang drei Zeltdörfer: an der Planckstraße in Holsterhausen, am Altenbergshof im Nordviertel und am Pläßweidenweg in Horst. Vier weitere sind derzeit im Bau oder in Planung: an der Bonifaciusstraße in Schonnebeck, an der Bamlerstraße in Altenessen, am Volkswald in Heidhausen sowie auf dem Gelände des ehemaligen Matthias-Stinnes-Stadions in Karnap. (wan)
Das erste Essener Rathaus entstand irgendwann im 13. Jahrhundert, genaues ist nicht bekannt. Diese eher romantische Zeichnung ist weitgehend Phantasie auf Basis dürftiger Berichte, tatsächlich weiß man nicht, wie es aussah. Nur wo es stand ist klar: an der Ecke Kettwiger Straße/Markt, dem historischen Zentrum der Bürgerstadt mit der Marktkirche als Mittelpunkt. Der Betrachter dieses Bildes hätte das uralte Gotteshaus im Rücken, links geht es die Kettwiger Straße hoch, rechts zwischen den alten Häusern ginge es zum heutigen Kennedyplatz – den es damals nicht gab. Dort waren sogar noch bis 1945 ebenfalls Altstadtgassen. In dem alten Rathaus in der Bildmitte erkennbar residierten noch die ersten der hier vorgestellten Bürgermeister.
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Bestand Stadtbildstelle/Fotoarchiv Ruhr Museum
Das zweite Rathaus an gleicher Stelle war schon etwas repräsentativer, aber noch immer ein typisches Kleinstadt-Rathaus. Es war Bürgermeister Bertram Pfeiffer („der Preuße“), der die unhaltbaren baulichen Zustände in dem mittelalterlichen Vorgängerbau so lange anprangerte, bis die Staatsregierung und die Bürgerschaft das Geld locker machten. Der klassizistische Bau war gedacht für Jahrhunderte, aber das rasante Wachstum der Stadt machte diese Vorstellung zunichte. Schon 1864 musste der Bürgermeister seine Dienstwohnung räumen, um die wachsende Beamtenschar unterzubringen. Und das war noch lange nicht das Ende.
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Bestand Stadtbildstelle/Fotoarchiv Ruhr Museum
Das dritte Rathaus wuchs nach dem Abriss des zweiten an gleicher Stelle schon bedeutend weiter in die Höhe und auch in die Breite. An dem neogotischen Bau wurde neun Jahre gewerkelt bis er 1887 seiner Bestimmung übergeben wurde. So richtig fürs Moderne entscheiden konnte sich die Stadt nicht, und so griff sie zurück auf altbewährte Stilformen. Der hohe Turm und die mächtigen Gesimse demonstrierten aber durchaus Bürgerstolz einer Großstadt. Im Zweiten Weltkrieg wurde es schwer beschädigt und vereinfacht wieder aufgebaut, ab 1963 dann abgerissen. Auf dem uralten Rathaus-Grundstück wurde stattdessen das Kaufhaus Wertheim errichtet.
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Bestand Stadtbildstelle/Fotoarchiv Ruhr Museum
Repräsentieren in der Kaiserzeit: Die Kaiserin und der Kronprinz geben Essen im Sommer 1896 die Ehre. Die neugotische Fassade des dritten Rathauses (links) ist festlich geschmückt, die Ratsleute stehen Spalier, auf den Privatbalkonen nutzen Bewohner und ihre Gäste die Gunst der Stunde, um exklusive Blicke zu erhaschen. Rechts, nicht sichtbar, steht damals wie heute die Marktkirche, das einzige Gebäude übrigens, das die Zeiten überdauerte. Auf dem Grundstück des Eckhauses rechts ist heute der Haupteingang der Mayer’schen Buchhandlung. Geradeaus in der Bildmitte ginge man zum Kennedyplatz, wenn es diesen damals schon gegeben hätte. Hier waren bis zur Zerstörung im Bombenkrieg weitere dichtbesiedelte Altstadtgassen. Das Volk war übrigens bei diesem Besuch nur teilweise erwünscht. Im Hintergrund der Gasse ist eine Palisadenwand aus Holz zu erkennen, die als Sichtsperre diente. Neugierige Blicke konnte man aber immerhin über die Absperrung werfen, sofern es gelang, hoch genug zu klettern.
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Bestand Stadtbildstelle/Fotoarchiv Ruhr Museum
Das vierte Rathaus und das vorerst letzte. 1979 wurde außerhalb des alten Stadtkerns das damals höchste Rathaus der Republik gebaut. Nach einem vorbildlichen Architektenwettbewerb wurde der erste Preis leider nicht realisiert – der sah zwei 115 Meter hohe Zwillingstürme mit einem luftigen und hellen Ratstrakt dazwischen vor. Die Lösung brauchte zu viel Platz – so kam es zum „Ypsilon“, in das auch der nächste OB – wer immer es ist – einziehen wird.
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Knut Vahlensieck / FUNKE Foto Services
Bürgermeister von 1734 bis 1750: Dr. Johann Heinrich Kopstadt. Krupp, Kopstadt, Huyssen – in dem kleinen Landstädtchen Essen, das bis zur Industrialisierung kaum mehr als rund 6000 Einwohner hatte, finden sich über Jahrhunderte immer dieselben Namen an der Stadtspitze. Oftmals waren es aus den Niederlanden zugewanderte protestantische Kaufmannsfamilien, die im 17. Jahrhundert vor der Bedrückung durch die katholische spanische Besatzungsmacht geflohen waren und in den Städten am Niederrhein rasch zu Einfluss kamen. Johann Heinrich Kopstadt war allerdings Jurist, Sohn eines 1682 aus Rostock zugezogenen Pfarrers, der in die Familie Huyssen einheiratete und eine Dynastie von Kaufleuten und Bürgermeistern begründete. Ihr Stammsitz stand dort in der Essener Altstadt, wo bis heute der Kopstadtplatz an sie erinnert.
Bürgermeister von 1811 bis 1813: Anton Carl Ludwig von Tabouillot. 1802 beendete Preußen die Herrschaft der Fürstäbtissinnen, 1806 folgten Napoleons Franzosen und besetzten Essen. Das war teuer, aber es gab Lichtblicke: In der Franzosenzeit erhielten auch die Essener Bürger erzwungenermaßen eine Kostprobe der überlegenen französischen Regierungskunst. Zwei Jahre lang war ab 1811 ein französischer Adeliger Bürgermeister, oder „Maire“, wie es für kurze Zeit hieß. Der formvollendete Kavalier pflanzte nicht nur einen gewissen Lebensstil mit Bällen und Theateraufführungen ein. Er steckte Geld in die miesen Schulen und rüffelte schlechte Lehrer. Den Bürgern verbot Tabouillot, den Viehmist meterhoch vor den Häusern aufzutürmen und ließ die Haufen wie auch die übelriechenden Jauchegruben beseitigen. Wohl seine größte Tat!
Bürgermeister von 1813 bis 1818: Heinrich Arnold Huyssen. Heinrich Arnold Huyssen stand als Mitbegründer der späteren Gutehoffnungshütte schon mit einem Bein im Industriealter, als er das Amt als Bürgermeister antrat. Er überwarf sich mit dem preußischen Staat, als dieser in Essen ein strenges Steuer-Regime etablierte und der Stadt vorwarf, bei der Seuchenvorsorge zu schlampen. Huyssen, ein lebenslustiger Junggeselle, trat zurück, und lebte fortan abwechselnd in seinem mondänen Landhaus Villa Bella in Altenessen (!) und in seiner Stadtresidenz in der Altstadt. Dann drehte er richtig auf: Seiner Vaterstadt vermachte er die weitläufigen Grundstücke an der heutigen Huyssenallee mit der Maßgabe, dort eine breite Straße zu bauen. Und er begründete das ebenfalls noch bestehende Krankenhaus „Husyssens-Stiftung“. Guter Mann.
Der erste echte Preuße als Bürgermeister von Essen – das war Bertram Pfeiffer (1833-1847). Der aus Berlin stammende Beamte stieß in der Bürgerschaft auf harten Widerstand, als er in seiner energischen Art bei Zahlungsverzug happige Geldbußen ansetzte und Klüngel und Verfilzung zu beenden suchte. Er traf eigenständige Personalentscheidungen und ersetzte alteingesessene Bürger durch fähige, aber fremde Verwaltungsexperten. Als er auch noch die Wiederwahl unfähiger Stadträte zu verhindern suchte, war das Maß voll: Er wurde nach 14 Jahren ersetzt. Seine Bilanz ist beachtlich: Er verschaffte der Stadt Schuldenfreiheit, legte den Grundstein für ein dringend notwendiges neues Rathaus, war Mitbegründer der Sparkasse und einer Gewerbeausstellung für Essener Produkte, und schuf auch noch Ordnung im Straßenwirrwarr der Altstadt.
Erich Zweigert, OB von 1886-1906: Er gehört zu den bedeutendsten Essener Stadtoberhäuptern überhaupt: Erich Zweigert. Der Jurist aus Pommern hatte ein klares Bild, wie eine Großstadt sein soll und er handelte danach: Zielstrebig und geschickt betrieb er die wichtigen Eingemeindungen von Frohnhausen, Altendorf und Rüttenscheid. Er ließ breite Straßen und Straßenbahnlinien bauen, Kultur- und Verwaltungsbauten errichten, schöne Wohnviertel und Parkanlagen planen, er kaufte den Stadtwald und holte das RWE und die Eisenbahndirektion nach Essen. Mit dem 100 000. Einwohner wurde Essen noch vor den großen Eingemeindungen 1896 offiziell zur Großstadt. In seiner langen Amtszeit veränderte sich das Stadtbild rasant zum Positiven wie niemals zuvor und vielleicht auch nie danach. Aus einem eher reizlosen großen Zechen-Dorf wurde eine echte Großstadt. Sicher, die Zeiten waren danach, und erneut hatte auch Krupp daran großen Anteil. Aber ohne Zweigert gäbe es manches vermutlich nicht, was bis heute Essen lebenswert macht.
Die erste gewaltige Expansion der Stadt Essen hatte Ernst Heinrich Lindemann (1859-1868) zu regeln, in dessen Bürgermeisterzeit sich die Einwohnerzahl auf fast 50 000 verdreifachte. Das Stadtgebiet war allerdings nicht im entferntesten parallel mitgewachsen und umfasste nur die Altstadt mit einer Argarlandschaft drumherum. Unerlässliche Aufgaben wie Kanalisation und Straßenbau finanzierte der gelernte Gerichtsassessor mit Anleihen – immer unter den misstrauischen Blicken der steuerzahlenden Pohlbürger, die es gern billig hatten. Eine Herkulesaufgabe war es, den Bau der bergisch-märkischen Bahn durch Essen mitzuorganisieren, bis heute die Essener Haupt-Bahntrasse. Weil Bürgermeister in Essen ein schlecht bezahlter Job war, verlor Lindemann die Lust – und wurde später OB von Düsseldorf. Dort zahlte man entschieden besser.
Gustav Hache (1868 – 1886) hatte, so wird berichtet, kaum noch Zeit mit den Stadtverordneten zu streiten. Die Probleme der Stadt, deren Pulsschlag immer mehr von Kohle und Stahl bestimmt wurde, waren dazu zu groß. In seiner Ära wurde Essen kreisunabhängige Stadt, was die Zahl der Beamten bis zum Jahr 1875 auf 79 hochschnellen ließ, er selbst wurde zum ersten Essener Oberbürgermeister ernannt. Die Nebenregierung allerdings saß auf dem Hügel in Bredeney: Hache hatte es mit Alfred Krupp zu tun, dem eigentlichen Herrn über die Dynamik, die Essen in diesen Jahren erfasste. Krupp wuchs und wuchs und Essen musste zwangsläufig hinterher: mit Straßen und Kanälen, Häusern und Schulen. Unter Hache machte Essen den Schritt von der Klein- zur Mittelstadt, ihn selbst raffte es früh dahin. Die Amtszeit endete mit seinem plötzlichen Tod.
In schwerer Zeit trat Hans Luther (1918 – 1924) an die Spitze der Stadt. Der Jurist und Verwaltungsexperte kam in eine aufwühlende Epoche, musste nach dem Ersten Weltkrieg mit Inflation und Besatzung, Kapp-Putsch und Soldatenräten fertig werden, es hatte mit der hohen Arbeitslosigkeit nach dem Ende des Rüstungs-Booms bei Krupp umzugehen und bei aller finanziellen Knappheit die Stadt irgendwie weiterzuentwickeln. Nach der Hälfte seiner Amtszeit zog es ihn in die große Politik. Er wurde Minister und 1925 für gut ein Jahr sogar Reichskanzler, schaffte in dieser Funktion die abschließende Regelung der Kriegsschulden mit den früheren Kriegsgegnern (Locarno-Vertrag). Später wurde er Reichsbankpräsident. Hitler schob ihn auf den Posten des Botschafters in Washington ab. Eine kommunale Karriere, die weit getragen hatte.
Wie sein Vorgänger Luther kam auch Oberbürgermeister Franz Bracht (1924 – 1932) aus der Berliner Ministerialbürokratie. Die repräsentativen Neubauten im Stadtkern, etwa das Baedekerhaus und das Deutschlandhaus fielen in seine Ära, ebenso die Gründung der Gruga und der Bau des Baldeneysees. Das waren weitsichtige, heute würde man sagen: nachhaltige Entscheidungen in wirtschaftlich schwieriger Zeit. Bracht rang mit der hohen Arbeitslosigkeit und der galoppierenden Inflation, setzte der Radikalisierung des politischen Lebens aber zu wenig entgegen. Er kämpfte zwar gegen die Kommunisten, ließ aber die Essener NSDAP und SA zumeist gewähren. Dem Mann vom rechten Rand der katholischen Zentrumspartei zog es 1932 auf einen Ministerposten nach Berlin, in der sich auflösenden Weimarer Republik spielte er im rechtskonservativen „Kabinett der Barone“ des Franz von Papen dann eine unrühmliche Rolle. Er starb 1933.
Auf den Redakteur und Verleger Theodor Reismann-Grone folgte Just Dillgardt (1937 – 1945) als zweiter und letzter Oberbürgermeister unter der NS-Herrschaft. 1933 hatte die NSDAP auch im Essener Rat die Macht an sich gerissen, eine Mehrheit bei freien Wahlen hatte die NS-Partei in Essen niemals erringen können. Der Hütten-Ingenieur Dillgardt war ein früher Parteigenosse, versuchte dennoch gegenüber dem fanatischen Essener Gauleiter Josef Terboven im Rathaus Reste professionellen Verwaltungshandeln aufrecht zu erhalten. Als sich die amerikanischen Sieger der Stadt näherten, ließ Dillgardt den Räumungsbefehl unbeachtet, der die in Essen verbliebenen Frauen, Kinder und alten Leute noch in den letzten Tagen aus der Stadt zu treiben beabsichtigte, um Essen zur „Festung“ zu machen. Er übergab die vollkommen zerstörte Stadt am 11. April 1945 im Rathaus ohne „Endkampf“ dem US-General Matthew Ridgeway.
Bis 1933 war Heinz Renner Stadtverordneter im Essener Rat, aus dem ihn die Nazis vertrieben. Nach der NS-Zeit kehrte der auch beim politischen Gegner durchaus angesehene KPD-Mann für gut ein halbes Jahr als Oberbürgermeister (1946) in die Kommunalpolitik zurück. Die britische Besatzungsmacht ernannte ihn trotz Protest zum Stadtoberhaupt, da Renner bewiesen habe, „dass er zupacken kann“. Und zu tun war vieles. Renner blieb OB bis zur ersten regulären Wahl im Oktober 1946, erwies sich als Pragmatiker mit sozialem Engagement. Nach seiner Abwahl wurde er Sozialminister in NRW, schließlich Bundestagsabgeordneter im ersten Bundestag in Bonn, setzte insoweit die Tradition fort, dass der Essener OB-Posten Sprungbrett für höhere Weihen war. Mit Konrad Adenauer, dem ersten Bundeskanzler, lieferte er sich respektable Redeschlachten. Die Essener Linken benannten vor einiger Zeit nach ihm ihre Parteizentrale.
Der erste gewählte Essener Oberbürgermeister nach der NS-Zeit blieb trotz kurzer Amtszeit (1946 -1949) am längsten in Erinnerung. Das ist kein Wunder, denn Gustav Heinemann entwickelte sich anschließend zu einer der prägenden Figuren der jungen Bundesrepublik, war Landes- und Bundespolitiker, Minister und von 1969 bis 1974 dann Bundespräsident. In den ersten Jahren seiner Laufbahn aber diente Heinemann (damals noch CDU) mit Tatkraft seiner Heimatstadt, die nicht nur bombenzerstört, sondern auch untrennbar mit der verfemten Firma Krupp verbunden war und deshalb erst wieder eine geachtete Rolle finden musste. Heinemann rang um eine Zukunft der riesigen Fabrikanlagen, die auch Arbeit bedeuteten. Die Linderung des Hungers und des kaum vorstellbares Wohnungselends waren die Aufgaben der Zeit. Seine Gabe zu mutigem Auftreten auch gegenüber der alliierten Besatzungsmacht trug ihm frühen Respekt ein.
Ein Mann der ersten Stunden war auch er: Hans Toussaint folgte Heinemann nach einer Übergangszeit und führte Essen in seiner OB-Ära (1949 – 1956) aus den Trümmer-Jahren in die Wirtschaftswunderzeit, die Essen baulich noch einmal völlig veränderte. Der Sohn eines Rüttenscheider Polizisten war ein typisches Vertreter der eher christlich-sozial geprägten CDU des Ruhrgebiets, kein Politiker, dem es um heftigen Parteienstreit gegangen wäre. Mit seinem SPD-Nachfolger Wilhelm Nieswandt arbeitete er gut zusammen, auch als der noch die Opposition im Rat vertrat. Die von den Briten installierte Kommunalverfassung machte aus dem Oberbürgermeister zwar ein repräsentatives Amt, ohne die Leitungsfunktion gegenüber der Stadtverwaltung. Aber wer als OB gut vernetzt war in den Parteien und als Persönlichkeit die Bürger überzeugen konnte, dem standen dennoch – wie Toussaint – Gestaltungsmöglichkeiten offen.
„Alter Recke des Reviers“ – so nannte ihn einmal respektvoll der NRW-Ministerpräsident Heinz Kühn. Tatsächlich war der in jungen Jahren aus Ostpreußen nach Essen gezogene gelernte Schmied Wilhelm Nieswandt ein knorriger Typ, der Revierpolitiker schlechthin. Pragmatisch bis auf die Knochen, gradlinig, aber auch autoritär und unbequem prägte der Sozialdemokrat (1956 – 1969) die Nachkriegsentwicklung der Stadt wie vielleicht kein anderer – und das trotz eines Amtes, das eigentlich nur repräsentativen Charakter hatte. Mit Nieswandt begann die Ära der sozialdemokratischen Mehrheiten, er tat viel dafür die SPD zu jener Kümmerer-Partei zu machen, die Essen in vielerlei Hinsicht im Griff hatte. Nieswandt war ein Bau-Mann, der nicht lange fackeln wollte, wenn etwas der betonierten Moderne im Wege stand: U-Bahnbau, die autogerechte Stadt, aber auch die Erweiterung des Grugaparks sind mit seinem Namen verbunden.
Horst Katzor war von 1969 bis 1984 Oberbürgermeister der Stadt Essen. Der gelernte Tiefbau-Ingenieur und Bundesbahn-Inspektor sorgte mit dafür, dass die SPD in seiner Ära die bestimmende politische Kraft in Essen wurde und blieb. Viele wichtige Entscheidungen hat er mit beeinflusst, etwa den Bau des neuen, des vierten Rathauses in der Stadtgeschichte. Die Diensträume des OB hat er als erster nutzen können, nachdem er zuvor lange mit dem „Rathäuschen“ auf dem Kennedyplatz, dem heutigen Europahaus vorlieb nehmen musste. „Er ist so etwas wie eine Vaterfigur in der Stadt geworden“, urteilte ein journalistischer Begleiter gegen Ende seiner Amtszeit. Ein schönes Lob für einen leidenschaftlichen Lokalpolitiker.
Einer, der an seinem Amt mitunter verzweifelte, war Peter Reuschenbach (1984 – 1989). Der Industriekaufmann ging 1961 als Essener SPD-Geschäftsführer in die Berufspolitik und wurde groß in einer Partei, der man nachsagte, dass sie in den 1970er Jahren – verwöhnt von absoluten Mehrheiten – der „Arroganz der Macht“ verfiel. Reuschenbach wagte Ausflüge in die Bundespolitik, war Referent von Bundeskanzler Willy Brandt, bis 1987 auch Bundestagsabgeordneter. Sein Versuch, als Oberbürgermeister eine wichtige Rolle zu spielen, scheiterte. Erstens an einer Essener SPD, die sich immer mehr in „Kreisen“ mit politisch unterschiedlichen Schwerpunkten aufspaltete. Zweitens an der wachsenden Macht, die Fraktionsvorsitzende und die theoretisch „unpolitischen“ Verwaltungschefs auf sich vereinigten. Reuschenbach resignierte, als ihm nach der Wahl 1989 mehrere SPD-Ratsleute bei der Wiederwahl die Stimme verweigerten.
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Peter Happel /Fotoarchiv Ruhr Museum
Sie ging in eine Ratssitzung, in der sie zur zweiten Bürgermeisterin gewählt werden sollte und kam nach Reuschenbachs Verzicht heraus als Oberbürgermeisterin. Annette Jäger (1989 – 1999) war in der langen Essener Geschichte die erste Frau, die das Amt des Stadtoberhaupts errang und sie wurde es anfangs wider Willen. Es ist eine schöne Pointe der kommunalpolitischen Geschichte, dass dann sogar eine lange Ära daraus wurde. Jäger war kaufmännische Angestellte und arbeitete bei Stadt und Stadtwerken, machte eine klassische ehrenamtliche sozialdemokratische Karriere mit Mandaten im Rat der Stadt. Sie beschränkte sich auf die repräsentative Funktion, die das Amt des Oberbürgermeisters bis zur Kommunalreform 1999 „eigentlich“ ohnehin auch nur vorsah. Im Laufe der Zeit gewann sie Profil, doch die Machtkämpfe in Stadt und Partei, die schließlich viel zum Ende der SPD-Ära in Essen beitrugen, konnte sie nicht schlichten.
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Wolfgang Reiniger (1999 – 2009) galt als krasser Außenseiter – und schaffte 1999 die Sensation. Bei der ersten Wahl des hauptamtlichen Oberbürgermeisters schlug der Christdemokrat den hohen Favoriten Detlev Samland (SPD). Ein Unions-Mann an der Spitze des Essener Rathauses – jäh ging die Ära der machtverwöhnten Sozialdemokraten zu Ende. Und das gleich im ersten Wahlgang. 2004 gewann er gegen Reinhard Paß. Doch als er nach zehn Jahren Amtszeit, abtrat, fiel die Bilanz eher durchwachsen aus. „In Erinnerung bleibt das Bild eines zurückgenommenen Stadtoberhauptes“, schrieb diese Zeitung. Der Mann, von Beruf Jurist, habe den Konzern Stadt eher im Stil eines Notars und Anwalts geführt. Die einen empfanden Reinigers Bescheidenheit und Rechtschaffenheit als Zier, Kritiker nannten ihn entscheidungsschwach und unpolitisch. Er selbst sagte: „Ich muss nicht über jedes Stöckchen springen, das man mir hinhält.“
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