Birgitta Berndsen ist Rektorin zweier Schulen – der Winfried- und seit 2011 auch kommissarisch der Münsterschule. Die 58-Jährige bewältigt ihre Doppelbelastung mit viel Liebe zum Beruf. Und sie weiß, warum sich für den Job kaum noch Bewerber finden.
Essen.
Birgitta Berndsen ist das, was man heute ein Multitasking-Talent nennt. Die 58-jährige Lehrerin leitet zwei Essener Grundschulen – die Winfriedschule in Huttrop und seit Februar 2011 kommissarisch auch noch die Münsterschule. Der Grund: Für die katholische Grundschule im Ostviertel fand sich nach der Pensionierung der Rektorin kein Nachfolger. Bei den insgesamt 85 Essener Grundschulen waren im November 16 Schulleiter- und 20 stellvertretende Schulleiter-Stellen unbesetzt, heißt es beim Schulamt. Rektoren dringend gesucht!
Kein Problem, das nur Essen betrifft. Insgesamt fehlten im November an den rund 3000 Grundschulen in NRW 435 Schulleiter und 662 Stellvertreter. Damit hat fast jede siebte Grundschule im Land keine Rektorin, keinen Rektor.
Schulleiterin Birgitta Berndsen bewältigt ihre Doppelbelastung mit viel Spaß am Beruf, wie sie betont. „Ich habe an beiden Schulen gute Kollegen. Alle tragen das gemeinsam. Trotzdem ist das natürlich keine erstrebenswerte Situation – zwei Rektoren-Stellen.“
„Rund 90 Prozent der Grundschullehrer sind Frauen“
Ihre Winfriedschule besuchen 200 Kinder, die Münsterschule rund 100 Jungen und Mädchen. Beide sind offene Ganztags-Schulen. „Mit dem Auto komme ich in zehn Minuten von einer zur anderen. Ich versuche, dreimal wöchentlich in der Münsterschule zu sein. Das gelingt aber nicht immer“, sagt Berndsen. Warum sich so wenige Lehrer für eine Leitungsstelle begeistern können, hängt, wie sie meint,oft mit den persönlichen Lebensumständen zusammen. „Rund 90 Prozent der Grundschullehrer sind Frauen. Ich habe keine Familie mit Kindern und daher kein Problem damit, wenn ich ‘mal zehn Stunden im Dienst bin.“ Kolleginnen mit anderen Lebenssituationen würden bei der Planung ihres Berufslebens aber unter Umständen andere Prioritäten setzen. „Wenn dann jemand keine Lust auf mehr Verantwortung hat, habe ich dafür Verständnis.“
Birgitta Berndsen ist in erster Linie eine Schul-Managerin, „verwaltet“ Schüler- und Lehrer-Kollegen, ist Ansprechpartner für jedermann. Manchmal ist sie auch Telefonistin. „Weil unsere Sekretärin keine Ganztagsstelle hat.“ Neben der Verwaltungsarbeit würden Elterngespräche viel Zeit beanspruchen. „Kinder mit Fehlverhalten, mit Defiziten, mit schwierigen Familien-Verhältnissen gibt es heute eben häufiger als früher.“
„Ich stehe noch drei Stunden vor der Klasse“
Lehrer wählten ihren Beruf, um zu unterrichten. Mit einer Schulleiter-Stelle komme man dazu nicht mehr oft. „Ich stehe noch drei Stunden in der Woche vor der Klasse.“ Sicherlich könne man die Rektoren-Stellen auch finanziell attraktiver machen, um mehr Interessenten zu gewinnen. „Aber: Wer Rektor ausschließlich wegen einer besseren Bezahlung werden will, ist auf diesem Posten falsch.“
In Essen gibt es 85 Grundschulen – 63 Gemeinschaftsgrundschulen, 20 katholische, zwei evangelische Grundschulen.
Landesweit wird sich das Problem offener Rektoren-Stellen verschärfen: Viele Schulleiter gehen in den nächsten Jahren in Pension. Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung NRW, hält eine zu geringe Bezahlung der Konrektoren für einen Grund für den Bewerbermangel an Grundschulen.