Die Arbeit ist nichts für schwache Nerven: Kaum hatte ich meine Ausbildung zum Rettungshelfer am Bildungsinstitut der Johanniter in Essen bestanden, wurde ich in meinem Freiwilligen Sozialen Jahr zum ersten Mal überraschend mit dem Tod konfrontiert. Noch während ich mein Praktikum auf dem Rettungswagen ableistete, wurden wir zu der Wohnung eines Mannes gerufen, der länger nicht mehr gesehen worden war. Ich wusste nicht, was mich dort erwarten würde. Als wir den Mann dann tot vor Ort fanden, war das für mich recht schockierend. Privat hatte ich eine solche Situation noch nie miterlebt. In diesem Moment musste ich vor die Tür gehen, um den Anblick zu verarbeiten.
Dies war eine von vielen Situationen, die ich während meines freiwilligen Jahres miterlebt habe.
Bei den Johannitern habe ich nach dem Praktikum dann hauptsächlich im Haus-Notruf-Dienst gearbeitet. Allein in Mülheim nutzen um die eintausend Teilnehmer die Geräte der Johanniter, über die sie im Notfall die Zentrale alarmieren können. Auf einen Notruf hin fährt man alleine zu dem Patienten, im Notfall auch mit Blaulicht. In diesem Fällen wird dann parallel der Rettungsdienst alarmiert und kommt ebenfalls zum Einsatzort. Während dieser Arbeit habe ich eine wesentliche Erfahrung gemacht – Verantwortung für einen anderen Menschen übernehmen. Das ist nicht unbedingt etwas, dass man jeden Tag tut. Zumindest für mich nicht.
Die unterschiedlichen Anforderungen
Mir hat der tägliche Umgang mit Patienten in meiner persönlichen Entwicklung sehr geholfen. Immer wieder stand ich vor neuen, schwierigen Situationen. Diese haben nicht nur mein Fachwissen auf die Probe gestellt, sondern auch meine Empathie. Was genau braucht der Patient? Einen medizinischen Rat oder emotionalen Beistand? Die meisten, eher ältere Patienten, haben nicht nur mit körperlichen Problemen zu kämpfen. Oft belastet sie auch Einsamkeit, etwa durch den Verlust des Ehepartners. In erster Linie wurde ich dazu ausgebildet, medizinische Hilfe zu leisten. In einigen Fällen konnte ich es jedoch nicht allein dabei belassen, habe nach tröstenden, aufbauenden Worten gesucht. Anteilnahme, die viel bewirken kann. Mit der Zeit entwickelt man ein Gespür dafür, welche Worte in den verschiedenen Situationen angebracht sind. Und wenn man es nicht entwickeln sollte, dann erfährt man zumindest, welches Berufsfeld nicht die passende Wahl wäre.
Ich selbst konnte feststellen, wie ich über das Jahr hinweg immer selbstständiger geworden bin. Gerade erst volljährig geworden, stehe ich für ein Jahr beruflich fest im Leben. Für Fehler stehe ich selbst gerade. Da gibt’s kein „Aber Mama hat gesagt“ mehr.
Auch die Zusammenarbeit mit Menschen aller Bildungs- und Altersgruppen am Arbeitsplatz war für mich ein weiterer essenzieller Beitrag zu meiner Selbstfindung. Ich habe die unterschiedlichsten beruflichen Werdegänge kennengelernt, aber auch davon profitiert, mich mit Leuten auszutauschen, die in genau derselben Situation sind wie ich selbst. Meine Bilanz: Ich habe gelernt, freiwillig und manchmal auch unfreiwillig, mit den verschiedensten Persönlichkeiten umzugehen.
Was also kann ich mit Abstand zu diesem Jahr sagen? Auch wenn man kurzfristig etwas sucht, das man nach der Schule machen kann, muss man wissen, worauf man sich einlässt. Ich habe neue Freunde gefunden, jede Menge Neues kennen gelernt und wertvolle Erfahrungen gemacht. Aber es ist auch hektisch, anstrengend – es bringt dich an deine Grenzen. Wie geht man mit dem Alter um? Mit dem Tod? Wohin will ich in Zukunft gehen?
Eines ist sicher – die Fragen waren am Ende des Jahres beantwortet.