Die NRW-SPD unter der Führung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft will sich Kohlekraftwerke als Option offen halten. Bei der Bundespartei findet sie aber kein Gehör. Sie überholt sogar die Grünen bei ihren Klimazielen.
Düsseldorf.
Noch am Sonntag saß die Ministerpräsidentin im Berliner Willy-Brandt-Haus, um ihre energiepolitische Position bei der SPD-Parteispitze einzuspeisen. Wo immer Hannelore Kraft auftritt, legt sie neuerdings ihr Credo zum Industriestandort NRW dar. „Energie muss bezahlbar bleiben“, forderte sie jüngst etwa im Landtag, „für die Verbraucher, aber auch für unsere Unternehmen.“ Was Kraft antreibt, ist nicht nur die Furcht vor unliebsamen Folgen der „überhasteten“ Energiewende in Berlin. Sie muss auch das verblasste Wirtschaftsprofil der Landes-SPD polieren.
„Der Wirtschaftsminister wird an diesem Punkt nicht ausreichend wahrgenommen“, räumen Genossen intern ein. Dabei könnte Harry Voigtsberger (SPD) zurzeit sogar im Konflikt mit der eigenen Bundespartei stärker Konturen zeigen. Eine von SPD-Chef Sigmar Gabriel eingesetzte Arbeitsgruppe, die den Kurs in der Energiepolitik festzurren will, wird in Düsseldorf mit Argwohn beobachtet.
Ursprünglich wollte diese Kommission sogar ein fixes Datum festschreiben, an dem das letzte Kohle-Kraftwerk abgeschaltet werden soll. Dagegen stemmt sich die NRW-SPD. In die aktuelle Fassung des Grundsatzpapiers ging nun die weichgespülte Formel ein, Kohle werde „noch über einen längeren Zeitraum“ als Brücke zu den Erneuerbaren eine wichtige Rolle spielen. Mit der Forderung, für die Zukunft den Neubau weiterer Kohle-Kraftwerke „als Option“ offenzuhalten, konnte sich NRW dagegen bisher nicht durchsetzen.
Kohle-Romantiker
Reiner Priggen, Fraktionschef der Grünen im Landtag, spottet über die „Erweckung der Kohle-Romantiker“ in der SPD. Rot-grünes Konfliktpotenzial sieht er darin aber noch nicht. Über die im Bau befindlichen sechs Blöcke hinaus – Datteln sei ein Sonderfall – wollen die Grünen in NRW keine weiteren Kohle-Kraftwerke mehr ans Netz gehen lassen. Sie setzen ganz auf moderne Gaskraftwerke. Davon sind sieben geplant.
Die Konfliktlinie verläuft eher innerhalb der SPD. Als Gabriel forderte, „die Marktmacht“ der großen Stromkonzerne zu beschränken und ihnen keine staatlichen Investitionszuschüsse mehr zu zahlen, grätschte Landtagsfraktionschef Norbert Römer dazwischen. „Ein völlig falscher Weg“, belehrte er den Vorsitzenden öffentlich. Um die Energiewende zu vollziehen, müsse man staatliche Hilfen an Wirkungsgrade und Effizienz von Kraftwerken knüpfen, „aber nicht an Eigentumsverhältnisse“.
Klimaschutz-Gesetz
Zu rot-grünen Reibereien in der Industriepolitik könnte es in Düsseldorf allenfalls kurz vor der Sommerpause kommen, wenn Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) womöglich sein umstrittenes Klimaschutz-Gesetz ins Kabinett einbringt. Dort soll nicht nur die machbare CO2-Einsparung von 25 Prozent bis 2020 festgeschrieben werden. Remmel würde gern das EU-Ziel von minus 80 bis 95 Prozent im Jahr 2050 für NRW verbindlich machen. Sich ohne Not schon heute gesetzlich zu fesseln, sei „methodischer Quatsch“, heißt es in der SPD.
Die Sorge gilt nicht zuletzt der heimischen Braunkohle, die etwa die Hälfte der NRW-Stromproduktion beisteuert, aber für ein Drittel aller schädlichen Klimagase verantwortlich ist. „CO2-Emissionen sind ein globales Problem, das auch global angegangen werden muss“, mahnt der Chef des Kraftwerks-Riesen RWE Power, Johannes Lambertz.
Vor diesem Hintergrund war in der NRW-SPD mancher wenig begeistert, dass die eigene Bundestagsfraktion im April ein Strategiepapier auflegte, in dem Remmel gar noch überholt wurde: Die Energieversorgung in Deutschland, hieß es dort, müsse „bis 2050 CO2-frei“ werden.