Die Vewirrung um die E10-Einführung ist jetzt um eine Variante reicher: Esso verkauft derzeit allein in NRW an 120 Tankstellen das klassische Super an „Biosprit“-Säulen. Die Verbraucherzentrale spricht von „Täuschung“.
Essen.
Mineralölkonzerne und Tankstellenbetreiber bekommen die Probleme mit dem neuen Ethanol-Treibstoff E10 auch nach dem Benzin-Gipfel in Berlin weiterhin nicht in den Griff. Der Tankstellenbetreiber Esso macht jetzt die Verwirrung um die E10-Einführung sogar noch um eine Variante reicher: Esso verkauft derzeit allein in NRW an rund 120 Tankstellen das klassische Super auch an Zapfsäulen, auf denen E10 draufsteht. Das bestätigte Unternehmenssprecherin Gabriele Radke gestern im NRZ-Gespräch. „Die ganze Versorgungskette ist momentan in Schwierigkeiten“, sagte sie.
Etikettenschwindel mit E10? Die Verbraucherzentrale NRW, die den Verkauf von herkömmlichen Super als Biosprit bei Esso aufdeckte, kritisierte das Unternehmen jedenfalls scharf. Verbraucherzentralen-Vorstand Klaus Müller nennt es schlicht „Täuschung der Autofahrer“. Dies sei „ein weiterer Sargnagel für das Vertrauen in die Einführung von E10-Benzin“. Konkurrenten wie Aral oder Shell bestritten nach Angaben der Verbraucherzentrale NRW dagegen „vehement, auf ähnliche Art die Kundschaft in die Irre zu führen“.
Große Raffinerien produzieren den neuen Sprit noch gar nicht
Esso-Sprecherin Radke begründete das Verwirrspiel an den Stationen in Nordrhein-Westfalen mit „Störungen im Fahrplan“ zur Einführung des neuen Sprits, bei dem eine Beimischung von bis zu zehn Prozent Bioethanol vorgesehen ist. Denn eigentlich gebe es insgesamt zu viel E10 am Markt.
Doch die Republik ist laut Radke bei der Versorgung mit dem umstrittenen neuen Treibstoff noch zweigeteilt: Raffinerien im Osten Deutschlands seien bereits auf die Produktion des „Ökosprits“ umgestellt worden, so dass es dort ein Überangebot an E10 gebe und herkömmliches Super teils in Belgien, Norwegen oder der Schweiz zugekauft werden müsse.
Im Westen dagegen produzierten große Raffinerien wie die in Gelsenkirchen und Köln-Godorf den neuen Sprit aber noch gar nicht, so Radke. Die Folge sei, dass hier der E10-Sprit nicht planmäßig bereitgestellt werden könne. Die Säulen an vielen Tankstellen in NRW seien aber bereits zeitnah umgestellt worden. So komme es, dass klassisches Super mit 95 Oktan oder möglicherweise sogar Super-Plus mit 98 Oktan aus vielen E10-Zapfpistolen fließe.
Mineralölwirtschaft sieht keine rechtlichen Probleme
Rein rechtlich geht das laut Mineralölwirtschaft in Ordnung. Die DIN-Norm für E10-Benzin schreibe lediglich den oberen Grenzwert des Bioethanol-Anteils fest, eben mit zehn Prozent. Daher fielen formaljuristisch auch Super Plus und das alte Super 95 unter diese Norm, auch wenn sie höchstens fünf Prozent Biokraftstoff enthielten. Esso-Sprecherin Radke sagte, die Tankstellen-Pächter seien gebeten worden, den E10-Hinweis auf den Zapfsäulen zu überkleben, wenn aus ihnen herkömmliches Super fließe.
Sie widersprach zudem jüngsten Medienberichten, wonach Esso im größeren Stil teste, mit einer Verbilligung von E10 gegenüber den anderen Sorten das stotternde Geschäft mit dem neuen Treibstoff anzukurbeln. E10 sei lediglich an einem Tag an jeweils einer Tankstelle in Frankfurt und in München günstiger verkauft worden.