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NATO-Rat scheitert in Libyen-Frage an der Türkei

NATO-Rat scheitert in Libyen-Frage an der Türkei

Der NATO-Rat hat einer Teilnahme der Allianz bei der Durchsetzung des Flugverbots in Libyen zunächst nicht zugestimmt. Die Türkei hat eine erneute Überprüfung der möglichen Strategie der NATO in Libyen gefordert

Washington. 

Trotz der internationalen Luftangriffe hält US-Generalstabschef Mike Mullen einen Verbleib des libyschen Machthabers Gaddafi im Amt für möglich. Die Koalition könne die Ziele ihres Militäreinsatzes erreichen, doch seien diese begrenzt. Dass Gaddafi abtrete, zähle nicht dazu, sagte der Admiral. In der Hauptstadt Tripolis ist derweil ein Gebäude der Residenz von Gaddafi bei einem Raketen-Angriff zerstört worden. Dort soll ein militärisches „Kommando- und Kontrollzentrum“ der libyschen Truppen beherbergt gewesen sein. Das sagte ein Vertreter der internationalen Einsatzkräfte

Der NATO-Rat hat derweil einer Teilnahme der Allianz bei der Durchsetzung des Flugverbots in Libyen nicht zugestimmt. Wie aus diplomatischen Kreisen in Brüssel am Sonntagabend verlautete, scheiterte dies am Einspruch der Türkei. Einverständnis wurde dagegen darüber erzielt, dass sich das Bündnis an der Durchsetzung des UN-Waffenembargos gegen Libyen beteiligt. Die türkische Ablehnung einer NATO-Intervention in Libyen stoppte vorerst Pläne, die Flugverbotszone mit Patrouillen von Kampfflugzeugen der NATO durchzusetzen. Dafür ist eine Direktive erforderlich, die mit Zustimmung aller 28 Mitgliedstaaten erlassen werden müssen. Den Diplomaten zufolge ist eine solche Dirketive nicht vor Dienstag zu erwarten.

Die Bundesregierung trat am Sonntag Vorwürfen entgegen, sie habe sich mit ihrer Haltung zum militärischen Eingreifen gegen Gaddafi international isoliert. Außenminister Guido Westerwelle sagte in Berlin, ein solcher Eindruck sei „völlig falsch“. Es gebe viele andere Partner in der EU, die diese Haltung teilten. Zugleich stellte er klar, dass Deutschland sich nicht an dem Militäreinsatz beteiligen werde. „Die Bundeswehr wird nicht nach Libyen geschickt“, sagte Westerwelle.

Arabische Liga kritisiert Luftangriffe auf Libyen

Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, hat die internationalen Luftangriffe auf Libyen kritisiert. Sie führten zum Tod von Zivilisten und gingen weiter als jene Schritte, die die Arabische Liga gebilligt habe, sagte er am Sonntag.

Die Unterstützung der Arabischen Liga für eine Flugverbotszone über Libyen galt im Westen als Bedingung für einen Militäreinsatz. Der UN-Sicherheitsrat hatte aber nicht nur eine Flugverbotszone, sondern auch „alle notwendigen Maßnahmen“ zum Schutz der Zivilbevölkerung zugelassen.

Moskau: Luftangriffe treffen auch zivile Ziele

Moskau hat die internationale Koalition aufgerufen, in Libyen den Einsatz „unüberlegter Gewalt“ zu beenden. Bei den Luftangriffen in dem nordafrikanischen Land seien auch nicht-militärische Ziele getroffen worden, erklärte das russische Außenministerium am Sonntag. Es seien 48 Zivilisten getötet und 150 weitere verletzt worden. Zudem seien ein Krankenhaus, Straßen und Brücken bei den Luftangriffen beschädigt worden. Das US-amerikanische Verteidigungsministerium widersprach den russischen Angaben. Es habe keine Anzeichen für zivile Opfer gegeben, hieß es aus dem Pentagon.

In der russischen Erklärung hieß es: „Es ist unzulässig, das Mandat des UN-Sicherheitsrats zu Zwecken zu nutzen, die eindeutig über die Bestimmungen hinausgehen, die allein Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung vorsehen.“ Bereits am Samstag hatte das russische Außenministerium sein Bedauern über den Militäreinsatz in Libyen ausgedrückt.

Die Intervention beruht auf der UN-Resolution 1973, die zur Durchsetzung einer Flugverbotszone und zur Beendigung der Angriffe von Machthaber Muammar el Gaddafi auf die Aufständischen und die Zivilbevölkerung den Einsatz „aller nötigen Mittel“ erlaubt. Bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat am Donnerstag enthielten sich die UN-Vetomächte Russland und China ebenso wie die nicht-ständigen Ratsmitglieder Deutschland, Indien und Brasilien ihrer Stimme.

Gaddafi droht mit „langem Krieg“

Nach dem Beginn der internationalen Luftangriffe auf Ziele in Libyen hat der libysche Machthaber Muammar el Gaddafi mit einem „langen, ausgedehnten Krieg ohne Grenzen“ gedroht. In der am Sonntag im Staatsfernsehen übertragenen Audiobotschaft sagte der Revolutionsführer, „das gesamte Volk steht unter Waffen“. „Wir sind die Sieger, ihr seid die Verlierer. Wir werden uns nicht vom Schlachtfeld zurückziehen, denn wir verteidigen unsere Erde und unsere Würde“, sagte Gaddafi weiter. Die Regierungen in Paris, London und Washington würden fallen „wie Hitler und Mussolini“ sagte Gaddafi. „Alle Tyrannen fallen unter dem Druck der Volksmassen.“

Am Sonntagmorgen setzten französische und US-Streitkräfte die Luftangriffe fort. Insgesamt 19 US-Kampfflugzeuge, darunter drei Tarnkappenbomber, nahmen an dem Einsatz teil, wie das US-Afrika-Kommando (AFRICOM) in Stuttgart, das den Einsatz koordiniert, mitteilte. Wie AFP-Korrespondenten berichteten, wurden bei einem Luftangriff rund 35 Kilometer westlich von Bengasi dutzende Fahrzeuge der Regierungstruppen, darunter zahlreiche Panzer, zerstört.

USA: „Erfolg“ der ersten Phase

Der US-Fernsehsender CBS berichtete, drei US-Tarnkappenbomber hätten einen wichtigen Militärflugplatz bombardiert, um einen Großteil der libyschen Luftwaffe zu zerstören. Mit dem Militäreinsatz „Odyssey Dawn“ (etwa: Odyssee Morgendämmerung) will die internationale Koalition unter Führung Frankreichs, Großbritanniens und der USA die Gewalt der Truppen Gaddafis gegen die Aufständischen und die Zivilbevölkerung stoppen.

US-Oberbefehlshaber Mike Mullen sprach im US-Fernsehsender ABC von einem „Erfolg“ der ersten Phase des Einsatzes zur Durchsetzung einer Flugverbotszone. Die Offensive der Truppen Gaddafis sei vor Bengasi gestoppt worden. Der Militäreinsatz diene nicht dem Sturz Gaddafis, sondern allein dem Schutz der libyschen Zivilbevölkerung, betonte Mullen. Nach Angaben von AFRICOM wurden am Samstagabend 20 der 22 Ziele des Tomahawk-Angriffs getroffen.

Libyen verurteilt Angriffe als „barbarische Aggression“

Nach Angaben aus libyschen Regierungskreisen starben bei den Angriffen mindestens 48 Menschen, 150 weitere wurden verletzt. Parlamentspräsident Mohammed Swei verurteilte die Angriffe als „barbarische Aggression“. Sie seien erfolgt, obwohl die libysche Regierung einen Waffenstillstand angekündigt habe. Laut Staatsfernsehen wurden in Tripolis sowie in den Städten Misrata, Suara, Sirte und Bengasi zivile Ziele bombardiert.

Der Einsatz, der in der Nacht zum Freitag vom UN-Sicherheitsrat genehmigt worden war, soll Gaddafi zur Beendigung seiner Offensive gegen die Aufständischen zwingen, bei der auch zahlreiche Zivilisten getötet wurden. Es handelt sich um die größte Militärintervention in der arabischen Welt seit dem Irakkrieg 2003. (ap/afp/dapd)