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Adolf Winkelmann ist der „Glöckner des U-Turms“

Adolf Winkelmann ist der „Glöckner des U-Turms“

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Foto: WR RALF ROTTMANN

Dortmund. Adolf Winkelmann wird im Dortmunder U-Turm die Bilder fliegen lassen: Mit Panoramen, Typen und Taubenschlag-Projektionen will der Filmemacher nichts weniger als das gesamte Ruhrgebiet abbilden.

Adolf Winkelmann war noch ein Junge und auf dem Brauereihochhaus prangte noch kein „U”, sondern ein Scheinwerfer. Damals tischte ihm sein Großvater das Märchen auf, dass diese „Laterne” jeden Abend entflammt werde. „Jetzt weiß ich, dass ich derjenige bin, der die Laterne anzündet.“ Schließlich werden die „Fliegenden Bilder“ des Regisseurs der Höhepunkt zur Eröffnung des U-Turms.

»Es kommt der Tag, da will die Säge sägen«

Aufgeräumt sieht es in dem Studio von Winkelmann aus. Das Modell des U-Turms leuchtet symbolträchtig in der Dunkelheit. Nur zwei Fensterattrappen erinnern noch an die Dreharbeiten. „Wir sind jetzt in einer anderen Phase”, sagt Winkelmann und freut sich, dass sein Projekt zur Eröffnung des U-Turms fertig sein wird. „Ich habe den Eindruck, ich bin der Glöckner. Ich läute die Bilderglocke”, sagt der Regisseur lachend.

Die Außeninstallation: Tauben, Steher-Rennen, Maschinen, Landschaft – außen am „U”, in zwei Reihen, will Winkelmann das „gesamte Ruhrgebiet abbilden”. Groß wie Fußballtore werden die 24 Bilder an der Kathedrale sein, kleiner sind sie unter der Dachkrone. Winkelmann nutzt dabei eine besondere Technik: Keine Projektionen, sondern Jalousien aus LEDs – so genannte selbstleuchtende Bilder, die auch tagsüber sichtbar sind – sollen die Menschen schon vom Hauptbahnhof anlocken. Kostenpunkt: zwei Millionen Euro. Per Zufallsgenerator wird aus einer Steuerzentrale im Inneren des U-Turms bestimmt, was zu sehen ist.

Eines weiß Winkelmann aber jetzt schon: „Das erste, was ich den Dortmunder schenken will, ist eine öffentliche Uhr, die richtig geht.” Die Installation kann aber weit mehr, als nur Bilder zu zeigen: „Sie könnte auch eigene Töne machen”, sagt Winkelmann. Aktuell arbeitet er fieberhaft daran, wie die auch beim Betrachter ankommen – per WLAN, Handy oder Radiofrequenz. „Wenn wir das schaffen, ist das einmalig.” So oder so soll der Turm mit den Menschen kommunizieren. Und Winkelmann weiß schon, was am allerersten Tag dort oben als Botschaft stehen wird: „Es kommt der Tag, da will die Säge sägen.”

Das Foyer: Auch in der Eingangshalle des Kreativzentrums begrüßt Winkelmann die Besucher. Elf große Leinwände, arrangiert wie ein „U”, hängen unter der Decke. „Eine Kette von Bildern, die den Zuschauer umarmt”, sagt Winkelmann, der in diesem Fall Panoramen des Ruhrgebiets zeigt. Regenschirme tanzen, Fördertürme fahren mit einem knatternden Geräusch hoch und wie ein Zug satten Lichts schießt ein dicker Strahl geschmolzenen Stahls über die Wände.

Winkelmann macht sehen, was das Auge so sonst nicht erfassen kann. An willkürlich gewählten Kreuzungen in Pott-Städten hat er Rundumsichten gefilmt, lässt Müll in einer Recycling-Firma tanzen und ist sogar auf ein 100 Meter hohes Windrad mit seiner Crew geklettert. „Das Ganze ist gnadenlos subjektiv. Das ist mein Ruhrgebiet”, sagt er. Klischees – da zuckt Winkelmann mit den Achseln – die sehe ein Außenstehender auch in authentischen Aufnahmen.

Die Vertikale: „Ich hab Botox geklaut”, „Einmal habe ich eine junge Hausfrau beim Umkleiden beobachtet” – Geständnisse wie diese erleben die Besucher, wenn sie auf den Rolltreppen an der vertikalen Wand hochfahren. Oder die „Neun Fenster” öffnen sich und zeigen Szenen, die Winkelmann aus 50 Jahren Leben im Pott destilliert hat – gefilmt mit Größen wie Peter Lohmeyer, Dietmar Bär und Katharina Wackernagel. Tatsächlich hat der Regisseur eine sehr persönliche Geschichte darin versteckt: Widerwillig lernt ein Junge von seinem Vater alles über dessen Waffe – und soll mit ansehen, wie der Tauben erschießt. Der Junge war einst Winkelmann.

Drei Installationen, drei Illusionen, dreimal eingefangene Identität. Mit ihnen will Winkelmann auch jene verzaubern, die nie ein Museum betreten haben. „Sie sollen verharren und sich faszinieren lassen.”

Übrigens: Parallel arbeitet Winkelmann an dem Buch „Die Reise ins U”, das die Geschichte des Turms und der Installation erzählt. Mehr hier.

Fotos: Ralf Rottmann