Der Schuldenberg Dortmunds wächst und wächst. Nach der gestern vorgelegten Erhebung der Landesstatistiker von IT.NRW schiebt die Stadt zum Stichtag 31.Dezember 2009 mitsamt ihren Eigenbetrieben (Kultur, Sport, Freizeit, Bildung) Verbindlichkeiten von insgesamt 2,16 Mrd Euro vor sich her. Nicht einberechnet sind die Verbindlichkeiten der selbstständigen Stadttöchter wie der DSW.
Jeder Dortmunder steht demnach theoretisch mit 3721,46 Euro in der Kreide. Ein Jahr zuvor lag diese Pro-Kopf-Verschuldung noch bei 3428 Euro, ein Anstieg um über acht Prozent. Besonders bedenklich sind dabei die rasant wachsenden Kassenkredite. Ihr Anteil an der Gesamtverschuldung wird immer größer. Diese kurzfristigen Verbindlichkeiten – eine Art Überziehungskredit auf dem Girokonto – haben Ende vergangenen Jahres die erste Milliarde geknackt, machen damit fast die Hälfte aller städtischen Schulden aus. Würde man die Schuldenlast gleichmäßig auf alle Bürger verteilen, stünde jeder Dortmunder mit einem Minus von 1723 Euro da – eine Zunahme von über 23 Prozent gegenüber dem Jahresabschluss 2008.
Einziger Trost: Wegen des derzeit historisch niedrigen Zinsniveaus muss die Stadt für ihre Liquiditätskredite prozentual weniger berappen als für ihre langfristigen Schuldverpflichtungen. Sollten die Zinsen auf dem Kapitalmarkt wieder anziehen, sähe die Sache anders aus: Die Kosten für die Kassenkredite könnten dann zu einem ernsthaften Problem für den ohnehin gebeutelten Haushalt werden.
Die Belastungen durch die Kassenkredite sind ein relativ junges Phänomen der Kommunalfinanzen. Vor zehn Jahren spielten sie praktisch keine Rolle. In der Schuldenstatistik 2001 werden sie nicht einmal aufgelistet. Vor neun Jahren hatte Dortmund vor allem langfristige Verbindlichkeiten von knapp 1,1 Mrd Euro, die Pro-Kopf-Verschuldung bezifferte sich auf nach heutigen Maßstäben schlappe 1848 Euro – nicht einmal halb so viel wie aktuell.
Wahlweise wird die Entwicklung der Kassenkredite als Argument für eine dauerhafte Unterfinanzierung der Städte durch Bund und Land herhalten oder als Indiz einer zu lockeren Haushaltsführung der Stadt selbst. Wahrscheinlich ist eine Mischung aus beidem die Ursache.
Dass man sich aus der Umklammerung der laufenden Verschuldung auch befreien kann, hat vor ein paar Jahren Düsseldorf vorexerziert. Durch den Verkauf ihres „Tafelsilbers“ (u.a. ein dickes RWE-Aktienpaket) konnte sich die Landeshauptstadt auf einen Schlag bei den kurzfristigen Verbindlichkeiten schuldenfrei stellen. Die Pro-Kopf-Verschuldung Düsseldorfs liegt dadurch aktuell bei beneidenswerten 337 Euro. Allerdings hat so ein Vorgehen seinen Preis. Das Tafelsilber ist weg und damit auch lukrative Dividenden-Ausschüttungen. Außerdem sind die Düsseldorfer Verhältnisse dank Hauptstadtbonus und Konzernsitzen ohnehin kaum übertragbar. Am Rhein kann man sich auf milliardenschwere Gewerbesteuerüberweisungen von Großkonzernen wie Eon verlassen. Im inzwischen mittelständisch geprägten Dortmund denkt daher kaum jemand ernsthaft an den Verkauf des üppigen RWE-Aktienpakets. Bekanntlich wurde das von den Stadtwerken verwaltete Aktiendepot im letzten Jahr sogar aufgestockt.
Der Blick zu den nordrhein-westfälischen Nachbarn ist aber dennoch aufschlussreich. Vor allem im Ruhrgebiet liegt Dortmund im Vergleich nämlich eher am unteren Rand der Schuldenskala. Bürger in Essen (5000 Euro), Hagen (6468 Euro) oder Duisburg (6535 Euro) müssen mit einer deutlich höheren Last pro Einwohner leben. Den Vogel schießt Oberhausen ab mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 7586 Euro. Dort hat man in den letzten zehn Jahren offenbar besonders schlecht gewirtschaftet. 2001 stand Oberhausen nämlich noch besser da als Dortmund.