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Die Kunst der Entschleunigung am Rhein-Herne-Kanal in Essen

Die Kunst der Entschleunigung am Rhein-Herne-Kanal in Essen

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Foto: WAZ FotoPool
Am Rhein-Herne-Kanal gibt’s keine Bademeister, dafür ziemlich klares Wasser, Urwälder und idyllische Wege. Die meisten hier haben viel Zeit, und selbst die Lastkähne scheinen sich anzupassen. Allerdings gibt’s hier im tiefen Essener Norden auch einige Schattenseiten.

Essen. 

Die Ruhr mit dem Baldeneysee und der Rhein-Herne-Kanal – das sind zwei sehr gegensätzliche Essener Wasser-Pole. Im Süden ist die Welt ziemlich heil, nicht mal größere Relikte des auch hier einst prägenden Bergbaus sind übrig. Im Norden aber ist der raue Industrie-Charme nicht wegzubekommen, und Industrie ist hier außerdem immer noch mehr als eine historische Kulisse. Gut so, denn genau das macht ja den Kanal letztlich aus.

„Kumpel-Riviera“ hat man die Wasserstraße früher gern genannt, aber das trifft es schon lange nicht mehr. Erstens gibt’s kaum noch Kumpel, zweitens fliegen die im Zweifel lieber an die echte Riviera. Dafür ist der Kanal mit seinem klaren Wasser gerade jetzt bei 30 Grad ein Paradies für junge Leute, die nicht so auf Freibäder und Bademeister stehen, sondern lieber hart am Rande der Legalität (und auch mal drüber) ihr eigenes Ding machen. Schwimmen im Kanal ist eigentlich verboten, wird aber nicht geahndet. Wirklich gefährlich ist das haarsträubende Anschwimmen von Lastkähnen, das als Mutprobe ebenso wenig kaputtzukriegen ist, wie das Springen von den Brücken.

Weil der Asphalt fehlt, fehlen auch die Kampfradler

Einfach nur Fahrradfahren, Wandern oder still die Kühle des Wassers genießen, das geht natürlich auch. Ein Tag am Kanal hat etwas Entschleunigendes. Hier hat’s keiner eilig, jedenfalls sieht es nicht so aus. Der Autoverkehr auf den Brücken hallt allenfalls von Ferne ans Ufer und kann einem gestohlen bleiben. Und Schifffahrt hat ja von Haus aus sowieso etwas Beruhigendes. Wenn so ein großer Pott vorübergleitet, kann man sich in Ruhe anschauen, wie der Käpt’n entspannt im Steuerhaus sitzt – das hat was. Die Wege am Altenessener Ufer sind dank der großen Bäume stellenweise richtig idyllisch, und weil’s keinen Asphalt gibt, fehlen die nervösen Kampfradler.

Das ist Essen Der Kanal ist immer auch etwas für Entdecker. Geheimnisvolle Rohre begleiten den Wanderer, und aus urwaldähnlichem Baum-Gestrüpp taucht plötzlich ein alter Schienenstrang auf – vorsichtig, es ist nicht auszuschließen, dass plötzlich doch einer der selten gewordenen Kohlenzüge heran rumpelt. Am Kanal enden Trampelpfade manchmal im Nichts oder im Lager einer Jugendclique, die Hunde hat und einen komisch anguckt. Also bitte nicht zu empfindlich sein, diese Gegend ist kein Ponyhof. Auch mit abgetretenen Papierkörben nebst verteiltem Inhalt, Bergen von Bierdosen am Wegesrand und entsprechend disponierten Zeitgenossen muss hier immer mal gerechnet werden.

Wenn die Emscher mal sauber ist, dann wird’s hier noch schöner

Essens Anteil am Rhein-Herne-Kanal ist – verglichen mit den Nachbarstädten – zwar kurz, aber vielfältig. Dem grünen und schattigen Altenessener (und Dellwiger) Südufer steht das sengend heiße Karnaper Nordufer gegenüber, das für Sonnenanbeter genau richtig ist. Zur Emscher hin schirmt ein Deich den Gestank ab, allerdings auch jeden Luftzug. Und irgendwann, wenn die Emscher mal sauber ist, wird das hier alles ja noch viel, viel besser. Zurzeit ist leider reichlich Baustelle.

Nur ungern empfehlen wir im Rahmen dieser Serie den Weg über die Stadtgrenze. Aber hier passt es. Vor allem Richtung Gelsenkirchen und Herne bleibt der Kanal so schön wie er auf dem kurzen Essener Stück ebenfalls ist.

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