Essens Oberbürgermeister Paß hat jetzt im Stadtrat vorgestellt, welche Lehren er aus der Korruptions-Affäre bei den Entsorgungsbetrieben ziehen will. Der OB wirbt für einen externen Ombundsmann. Und er gibt Lücken zu. Denn die Stadtspitze hat sich bis dato nicht an die Transparenz-Regeln gehalten.
Essen.
Vollends aufgeklärt ist in der Affäre um das Geschäftsgebaren der Entsorgungsbetriebe noch nichts. Doch schon jetzt steht fest, dass die Uhren der städtisch beherrschten Firmen danach ein bisschen anders ticken.
Es soll Schluss sein mit auch nur dem Geruch von Kumpanei und Korruption im städtischen Firmengeflecht, mit mehr oder weniger unangemessenen Verflechtungen zwischen den Beteiligungsunternehmen und Politikern und vor allem deren Portemonnaie.
Ein festgelegter ethischer Standard
Vor dem Rat kündigte Oberbürgermeister Reinhard Paß an, am Ende werde wohl ein neues Regelwerk zur „Compliance“ stehen müssen, ein schriftlich festgelegter ethischer Standard also, den sich alle auf die Fahnen schreiben sollen.
Der ellenlange Fragenkatalog, der im Auftrag des OB allen Geschäftsgepflogenheiten mit Geschmäckle bei den Stadt-Töchtern auf die Spur gehen soll, gilt da erst einmal als Anfang.
Die Antworten, so kristallisiert sich mittlerweile heraus, könnten – weil zu komplex und mit rechtlichen Unsicherheiten versehen – noch Monate auf sich warten lassen. Es gebe aber, so Reinhard Paß, keine Alternative dazu, für Transparenz und damit für Vertrauen in die Arbeit zu sorgen.
„Das stünde uns ganz gut an“
Der Oberbürgermeister warb deshalb für den Gedanken, einen externen „Ombudsmann“ zu engagieren, der als Ansprechpartner dienen könnte: „Das stünde uns ganz gut an.“
Ombudsleute (ombud = nordisch für Vollmacht) sind unparteiische Schiedspersonen, die als externe Kontaktleute abseits üblicher Hierarchien Streitfälle schlichten können, sie sind mal Sprachrohr für jene ohne Lobby, dienen aber auch ganz gezielt als Ansprechpartner, um vorbeugend Korruption zu verhindern.
Ein solcher Ombudsmann könnte Informationen über moralisch fragwürdiges Geschäftsgebaren an irgendeiner Stelle „kanalisieren, bearbeiten, beheben und Konsequenzen ziehen“.
Deal wurde konsequent nicht veröffentlicht
Dies umso mehr, als es mit der Transparenz bei der Stadt bislang offenbar nicht so gut bestellt war. Das zeigt der gut dotierte Beratervertrag, den Ex-SPD-Ratsherr Harald Hoppensack mit den Entsorgungsbetrieben unterhielt.
Obwohl die Ehrenordnung des Rates seine Veröffentlichung im Haupt- und Finanzausschuss vorschreibt, hielt sich die Stadtspitze nicht daran: Nur ein einziges Mal in acht Jahren, im März 2008, räumte man für Hoppensack Dienstleistungsverträge mit der EBE und der städtischen Verkehrs- und Versorgungs-Holding EVV ein. Und obwohl der OB durch eine Meldung nach dem Korruptionsbekämpfungs-Gesetz von den Beraterverträgen Hoppensacks wusste, wie Stadtsprecherin Nicole Mause sagt, tauchte der Deal des Genossen in den jährlichen Meldungen konsequent nicht auf.
Versäumnis ohne Folgen
„Das ist in der Tat ein Mangel“, heißt es jetzt auf NRZ-Nachfrage, „ein Versäumnis“, aber eines, das bislang ohne Folgen blieb, obwohl die Ehrenordnung „unverzüglich“ Aufklärung verlangt. Man rettet sich, immerhin, mit dem Verweis auf eine Notiz im 294-seitigen Jahresabschluss. Dort steht auf Seite 27 unter Hoppensacks Namen in der Rubrik „Mitgliedschaft in Organen“ kleingedruckt der Hinweis, er sei Berater der Entsorgungsbetriebe.
Der über Jahre verschwiegene Beratervertrag ist deshalb so pikant, weil die Ehrenordnung auch eine kurze Begründung verlangt, wenn ein Kontrakt mit einem Ratsmitglied ohne Ausschreibung erfolgt. 2007 hatte man derlei Vergleichsangebote noch eingeholt, 2011, beim übrigens immer noch laufenden EBE-Vertrag dem Vernehmen nach nicht.
Wie der OB schon sagt: Ein Ombudsmann wäre in Essen wirklich hilfreich.