Bochum.
Halbzeit in der trainingsfreien Sommerpause: Drei Wochen nach dem Abpfiff der Saison und drei Wochen vor dem Trainingsauftakt für die kommende Spielzeit blickt Hans-Peter Villis, Aufsichtsrats-Vorsitzender des VfL Bochum, im Interview mit der WAZ auf eine bewegte Saison zurück – und schaut voraus auf die kommende Spielzeit in der 2. Liga. Es ist bereits das neunte Zweitliga-Jahr in Folge für den VfL.
Herr Villis, welches Gefühl überwog bei Ihnen nach dem Saisonabpfiff, Freude über Rang sechs oder Erleichterung darüber, noch einmal die Kurve bekommen und das Schlimmste verhindert zu haben?
Hans-Peter Villis: Erst einmal habe ich mich über den sechsten Platz gefreut und über den Wandel bei den Fans. Bei mir stand klar die Freude im Vordergrund.
Die ersten zwei Saisondrittel waren ein einziges Kommen und Gehen und betrafen nicht nur die Trainer. Warum Sie sich von Finanzvorstand Wilken Engelbracht getrennt haben, ist öffentlich nie so richtig deutlich geworden.
Villis: Wir haben uns nicht von ihm getrennt, er hat sich von uns getrennt. Und ich denke, wir haben als Nachfolger einen Topmanager gefunden.
Auch die beiden Aufsichtsräte Frank Goosen und Matthias Knälmann wollten nicht mehr mitmachen und waren offensichtlich mit der Entscheidungsfindung im Aufsichtsrat unzufrieden.
Villis: Alle wesentlichen Entscheidungen im Aufsichtsrat sind einstimmig erfolgt. Auch in der grundsätzlichen Ausrichtung unserer Arbeit waren wir uns immer einig. Goosen, Knälmann und Engelbracht sind befreundet, vielleicht hat das auch eine Rolle gespielt.
Sportvorstand Christian Hochstätter wollte indes nicht gehen, er musste. Für viele Fans kam das Aus allerdings viel zu spät angesichts der nicht enden wollenden öffentlichen Reibereien. Waren Sie zu zögerlich, zu unentschlossen?
Villis: Der Aufsichtsrat beaufsichtigt und kontrolliert, eine operative Rolle kommt ihm nicht zu. Wir nehmen unsere Verantwortung wahr, die richtigen Leute zu holen. Und wir sahen keinen Anlass, vorzeitig zu reagieren. Dinge, die in der Öffentlichkeit nicht funktioniert haben, wurden stets mit Christian Hochstätter besprochen. Es war dann seine Aufgabe, zum Beispiel auf Gertjan Verbeek einzuwirken. Aber so etwas kann man nicht in der Öffentlichkeit verhandeln. Noch ein Wort zu Hochstätter: Wir mussten damals, als wir ihn holten, über die sportliche Konsolidierung die wirtschaftliche Konsolidierung schaffen – mit einem starken Sportvorstand. Und das ist uns gelungen. Als die Mannschaft dann unter Jens Rasiejewski, für den sich Hochstätter stark gemacht hatte, viermal in Folge verloren hatte, war klar, dass auch der Sportvorstand gehen musste. Ich denke, auch ihm war das klar. Deshalb: Wir haben nicht zugeguckt, sondern haben gehandelt.
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Wer von den ehemaligen Vorständen und Trainern bekommt denn aktuell noch Geld vom VfL?
Villis: Christian Hochstätter hat noch einen Vertrag bis 2020, aber wer weiß, vielleicht wird er ja demnächst einen neuen Job antreten. Das Thema Ismail Atalan ist erledigt, da haben wir alle zusammen daneben gelegen. Das können wir offen und ehrlich einräumen. Und mit Jens Rasiejewski, dessen Vertrag noch bis 2019 läuft, führen wir derzeit Gespräche. Aber das Thema wird den VfL wirtschaftlich nicht hart treffen.
Sie standen ja nicht nur in der Kritik, sondern sind auch persönlich angefeindet worden. Hat es nicht Momente gegeben, in denen Sie den Bettel am liebsten hingeschmissen hätten?
Villis: Dass Sie auf die Fresse kriegen, wenn es nicht läuft, ist klar. Aber ich habe niemals daran gedacht hinzuwerfen. Ich war immer der Überzeugung, dass unsere Entscheidungen richtig sind. Wenn man Verantwortung übernimmt, darf man nicht aus dem Bauch heraus entscheiden. Wenn wir im Aufsichtsrat, der ja ein Gremium der Ehrenamtlichen ist, der Meinung wären, dass der VfL ohne uns besser aufgestellt wäre, würden wir die Konsequenzen ziehen. Für mich persönlich gilt: Ich bin nicht vom VfL abhängig, und der VfL ist nicht von mir abhängig.
Die Zuneigung der Fans holt man sich mit ein paar guten Ergebnissen vermutlich schneller zurück als die Sympathie möglicher Sponsoren und Investoren, für die es um teils erhebliche Summen geht. Was tut sich auf diesem Gebiet?
Villis: Bei den Sponsoren ist immer Bewegung drin, das ist bei allen Vereinen so. Große Unzufriedenheit war bei unseren Sponsoren nicht auszumachen, auch wenn der eine oder andere schon mal Erklärungsbedarf hatte. Das Thema ist letztlich erledigt – in positiver Hinsicht. Unser Trikotsponsor Trivago hat noch nicht final ab- oder zugesagt, aber wir schauen uns natürlich auch nach Alternativen um. So viel kann ich schon sagen: Es gibt Interessenten. Was die Suche nach Investoren angeht: Rechtlich ist alles in die Wege geleitet, in Kürze haben wir die erste Aufsichtsratssitzung dazu.
Schauen wir mal sportlich voraus: Die 2. Liga bekommt es künftig auch mit dem HSV und dem 1. FC Köln zu tun. Wo wird der VfL demnächst zu finden sein?
Villis: Das lässt sich nur schwer prognostizieren, dafür ist der Transfermarkt noch zu lange in Bewegung. Aber aufgrund der Erfahrungen der letzten Saison werden wir uns mit offensiv formulierten Zielen zurückhalten. Die letzten drei Jahre haben mit den Plätzen 5, 9 und 6 aber eine Richtung vorgegeben, die wir beibehalten wollen.